Lob der Faulheit
zusätzlich Geld bringen oder kosten, würzen das Spiel. Die Grandiosität der Idee, als Einziger das gesamte Spielvermögen in die Hände zu bekommen, ist so faszinierend, dass alle gerne mitspielen und ihr Vergnügen dabei haben, jedenfalls solange die Aussicht besteht, das Spiel am Ende zu gewinnen.
In der Realität funktioniert »Monopoly« nicht. Abgesehen davon, dass bis auf eine Person alle anderen verlieren, und zwar ihren letzten Cent, steht auch der Gewinner schließlich mit leeren Händen da. Kein Markt mehr, keine Käufer, niemand, der noch ausgebeutet werden könnte, nichts. Das Spiel ist aus. Das Vermögen muss neu verteilt, das Weltwirtschaftssystem notdürftig repariert werden. Es gibt eine neue Währung, vielleicht auch eine Bodenreform. Die Wunden werden geleckt. Und dann beginnt die nächste Runde. Der nächste Crash kommt bestimmt.
Der Spaß, den die Menschen bei diesem Spiel haben, ist von vorübergehender Natur. Zu Beginn, wenn die Spieler in etwa dasselbe Startkapital besitzen, kennt die Begeisterung noch keine Grenzen. Jeder glaubt an seine Chance. Die Hoffnung, zu den Gewinnern zu gehören, scheint begründet. Die Belohnung, die am Ende winkt, lässt die Mitspieler alle Risiken und Mühen vergessen. Die kleinen und großen Zwischengewinne halten sie bei Laune. Aber je länger das »Spiel« währt, desto deutlicher wird, dass fast jeder verliert. Es stellt sich heraus, dass sich der Einsatz nicht gelohnt hat. Die Erfolgsaussichten schwinden.
Das Leben wird zunehmend schwerer. Die Belastungen drücken. Die Hoffnung stirbt. Es macht keinen Spaß mehr.
In der Realität ist »Monopoly« kein Spiel. Es fehlen die anhaltende Freude, die Leichtigkeit. Wenn große Unternehmen kleine Gewerbetreibende schlucken und ihrerseits wieder von den Weltkonzernen gefressen werden, dann ist das nicht lustig. Menschen sind keine Schachfiguren. Sie haben Gefühle und leiden darunter, wenn sie nicht mehr mitspielen dürfen. Anders als bei einem Spiel dauert es zu lange, bis eine neue Runde beginnt. Mancher erlebt den Neuanfang nicht mehr. Die inneren und äußeren Zerstörungen wirken über Generationen fort.
Die Frage, wem die Welt gehört, kann ich Ihnen nicht beantworten. Aber ich kann Ihnen sagen, wem Deutschland gehört. Mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens befindet sich in den Händen der 500 reichsten Familien. Damit verrate ich kein Geheimnis. Sie können die Liste der 500 reichsten Deutschen bequem im Internet nachlesen. Um in diesen kleinen Club einzusteigen, bräuchten Sie 200 Millionen Euro. Damit kämen Sie mit Ach und Krach auf Platz 500. Sollten Sie jedoch mehr als 17,1 Milliarden Euro aufbringen, wären Sie die neue Nummer Eins im realen Monopoly. Vielleicht schaffen Sie es sogar, die Bank zu sprengen und Monopolist zu werden. Aber ich bezweifle, dass es Ihnen auf dem Sterbebett dann anders ergehen wird als Charles Foster Kane.
Der Weg des geringsten Widerstands
Positiv Faule leben in friedlicher Koexistenz mit dem Chaos. Sie versuchen erst gar nicht, es zu bändigen, sondern konzentrieren sich auf das Wesentliche, wohingegen die Verfechter der Disziplin unter Anspannung aller Kräfte auf eine rechteckige, langweilige Welt abzielen.
Die Natur selbst ist nicht diszipliniert. Sie spielt mit Formen und Möglichkeiten. Deshalb ist die Erziehung zur Disziplin widernatürlich. Sie treibt den Menschen das Spielerische aus. Die Leichtigkeit des Seins, die von den Ordnungsfanatikern allgemein als unerträglich wahrgenommen wird, wird von ihnen durch bleierne Schwere ersetzt. Der Möglichkeitssinn muss einem fragwürdigen Realitätssinn weichen. Vielen Erwachsenen fällt es deshalb mit der Zeit immer schwerer, in Alternativen und Lösungen zu denken. Stattdessen heißt es: Wir haben das immer so gemacht. Das geht nicht anders. Wo kämen wir da hin?
Positive Faulheit, das ist Improvisation. Während die Disziplinierten jedes Detail planen und rigide die einmal beschlossenen Vorhaben durchzuziehen versuchen, erlauben die Faulen der Wirklichkeit, unregelmäßig zu sein. Sie stellen sich flexibel auf das Unvorhersehbare ein. Bei den Disziplinierten darf es keine Abweichungen von der Norm geben. Sie sind bemüht, alle Zufälle auszuschalten und zimmern sich eine enge Welt falscher Gewissheiten. Die Faulen warten gerne ab, was sich ergibt. Sie hassen die Norm (in die sie sowieso nicht passen), lieben den Zufall (was einem zufällt, muss man nicht erkämpfen) und nehmen
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