Lob der Faulheit
die Dinge so, wie sie kommen. Gewissheit gibt es ohnehin nicht. Morgen ist auch noch ein Tag.
Wer faul ist, geht den Weg des geringsten Widerstands. Das macht die Natur auch. Wasser sucht sich immer den leichtesten Weg, fließt nie bergauf, sondern stets bergab. Flüsse weichen Widerständen aus und ändern die Richtung, es sei denn die Fleißigen haben sie in Kanäle gezwängt.
Drei Dinge braucht das Glück
Die Literatur über das Glück wird immer umfangreicher. Psychologen und Philosophen streiten darüber, was Menschen glücklich macht. Elliot Aronson nennt in seinem Standardlehrbuch »Sozialpsychologie« drei Faktoren. Aronson zählt zu den 100 einflussreichsten Psychologen des 20. Jahrhunderts. Er hat sowohl Auszeichnungen für hervorragende Lehre und Forschung als auch für hervorragendes Schreiben bekommen. Das ist sonst noch keinem gelungen.
Befriedigende soziale Beziehungen stehen an erster Stelle, wenn es um Glück geht. Glückliche Menschen verbringen mehr Zeit mit Freunden. Es macht ihnen Spaß, mit anderen zusammen zu sein.
Ich empfinde das als eine schöne Bestätigung meines Standpunkts. Positiv faule Menschen nehmen sich Zeit, Freundschaften aufzubauen und zu pflegen. Sie leisten keine »Beziehungsarbeit«, sondern haben einfach Spaß mit Menschen, die sie mögen. Sie sind zu faul, sich zu streiten. Das ist eine günstige Voraussetzung für harmonische Familien und ideale Freundschaften.
Neuerdings meinen einige, Ehen würden derzeit daran scheitern, dass die Partner nicht mehr die Disziplin aufbrächten, ihre Ehe aufrechtzuerhalten. Was ist das für ein armseliger, freudloser Standpunkt! Eine Beziehung, die nur deshalb weiterbesteht, weil die Beteiligten sich große Mühe geben? »Unsere Ehe währet 40 Jahre, und wenn’s hoch kommt, so sind’s 50, und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen« würde Luther sicherlich gerne beipflichten.
Der Psychologe John Gottman hat etwas anderes herausgefunden. Spaß ist das Mittel, das eine Ehe gelingen lässt. Wer die Gegenwart des Partner schätzt, hat wenig Grund, sich zu trennen. Wenn dagegen ständige Kritik, Angriffe und Rechtfertigungen, Verachtung und Geringschätzung des Partners an der Tagesordnung sind, ist das Scheitern der Beziehung vorprogrammiert. Ehen vertragen nicht allzu viel negative Kommunikation. Das Verhältnis negativer zu positiver Äußerungen sollte maximal bei 1:5 liegen.
Engagieren Sie sich für etwas, das Sie wirklich mögen: Das ist der zweite Glücksfaktor, den Aronson anführt. Es ist beglückend, sich herausfordernde, aber machbare Aufgaben zu suchen und das Gefühl zu haben, dabei voranzukommen. Aronson spricht an dieser Stelle ausdrücklich nicht von Arbeit.
Auch darin sehe ich ein Lob der Faulheit. Es geht nicht um Mühe und Arbeit um ihrer selbst willen, sondern um die Verbindung von Aktivität und Freude. Engagement (Wollen) steht im Vordergrund, nicht Müssen. Selbstbestimmung fördert das Glück, Entfremdung schadet ihm. Selbstverständlich schließt Engagement gelegentliche Anstrengungen nicht aus. Es kann manchmal Mühe kosten, Herausforderungen zu überwinden. Das tut dem Glück keinen Abbruch. Aronsons Bild von Arbeit ist dennoch ein vollkommen anderes als das in unserer Gesellschaft übliche.
Drittens begünstigt es das Glück, anderen Gutes zu tun. Wer seinen Mitmenschen hilft, ist am Ende des Tages zufrieden. Vermutlich liegt das daran, dass Hilfsbereitschaft soziale Beziehungen entstehen lässt. Außerdem mögen Menschen es, sich für andere zu engagieren.
Ein weiteres Mal bestätigen Aronsons Aussagen den hier vertretenen Standpunkt. Menschen sind nicht schlecht, böse oder sündhaft, sondern grundsätzlich freundlich und hilfsbereit. Sie kooperieren von Natur aus gerne. Konkurrenz, Kriminalität oder anderes unsoziales Verhalten treten nur als Fehlentwicklungen auf, genauso wie Disziplin und Arbeitseifer.
Chronisch unglücklich
Man sollte annehmen, dass ein Großteil der Bevölkerung die drei Glücksfaktoren kennt und entsprechend lebt. Aber das Gegenteil ist der Fall. Unsere Gesellschaft orientiert sich – wie die meisten westlichen Staaten – nicht an sozialen Werten, sondern frönt dem Materialismus.
Im Mittelpunkt des Strebens steht der Erwerb von möglichst viel Geld. Die Unternehmen träumen von zweistelligen Wachstumsraten, und viele BürgerInnen tun es ihnen gleich. Sie wollen materielle Sicherheit, Komfort, Luxus
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