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Lob der Torheit

Lob der Torheit

Titel: Lob der Torheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erasmus von Rotterdam
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sich schon (sagen sie) ist allem andern vorzuziehen; ist eben so unentbehrlich, als Luft, Feuer, Wasser, es immer sein mögen; sie führt so viele Freuden bei sich, daß sie verbannen eben so viel wäre, als die Sonne verbannen; sie ist etwas so Tugendhaftes (man hätte ihr wohl ein besseres Lob beilegen können), daß selbst die Philosophen keinen Anstand finden, sie zum höchsten Gute zu rechnen. Wie aber, wenn ich zeigen könnte, daß es auch bei dieser herrlichen Sache alles auf mich ankomme? Wohlan, ich will es tun; und zwar nicht durch krumme verfängliche Trugschlüsse, sondern so ehrlich-einfältig, daß jeder, der auch nur seiner Nase nachzugehen im Stande ist, die Sache mit Händen wird greifen können.
    Aufgehorcht! Wenn man bei den Fehlern des Freundes die Augen schließt, sie nicht sehen will, sie liebenswürdig findet, etwann auch seine großen Laster als liebenswürdige Tugenden herausstreicht: ist man da nicht auf dem geraden Wege zur Narrheit? Sehet doch diesen, der die Warze küßt, die seine Geliebte mit auf die Welt gebracht hat; jenen, der seines Mädchens ranzichten Atem balsamisch findet; dort den über die schielenden Augen seines Söhnchens entzückten Vater. Ists nicht pur-lautere Narrheit? Ja, man schreie so lange man will, daß es Narrheit sei: diese Narrheit einzig ist im Stande, Freundschaft zu stiften, und dauerhaft zu machen. Ich rede von den Sterblichen, von denen keiner ohne seine Fehler auf die Welt kommt; wer die wenigsten hat, ist der beste. Wenn sich zu jenen weisen Philosophen, die sich Götter zu sein träumen, je eine Freundschaft naht, so ists eine störrische und freudenlose; und auch dieser sind nur die wenigsten fähig; ich sage mit Fleiße nicht alle: der größte Teil der Menschen spielt den Narren; ja, keinen wird man finden, der nicht auf vielerlei Weise faselt; nun sind nur die, welche einander ähnlich sind, der vertrauten Freundschaft fähig.
    Gesetzt es ereigne sich etwann unter diesen Sauertöpfen, daß einer dem andern sein Wohlwollen bezeige, so wirds doch von keiner langen Dauer sein: kein Adler, kein Drache ist so scharfsichtig, als sie es bei den Fehlern ihrer Freunde sind; die ihrigen können sie nicht sehen, denn die Schlauköpfe haben sie in den Sacke hinten auf ihren Schultern gelegt. Da nun kein Mensch so verständig ist, daß er nicht seine großen Fehler hätte; da sie an Jahren und Neigungen so verschieden; solchem Straucheln, solchen Ausschweifungen, solchen Zufällen des sterblichen Lebens unterworfen sind: wie könnte die freudige Freundschaft sich bei diesem spitzäugigen Ausspüren auch nur eine Stunde lang verweilen, wenn sich nicht die gesittete und gutmütige Narrheit zugleich mit ihr einstellte? Und wie! ist nicht Cupido der Urheber und Vater aller Vertraulichkeit, starrblind, so daß er leicht das Häßliche für das Schöne ergreift? Schämen Sie sich nicht, meine Herren, die Wahrheit zu gestehen: hat der lose Vogel nicht auch Sie so betört, daß jeder das Seine schön findet; daß der Kahlkopf in sein Mütterchen, wie der Gelbschnabel in sein Püppchen vernarrt ist? O aller Orten findet mans so, und belacht es! aber gerade diese Lächerlichkeiten sind das Kitt und die Bänder der herzerquickenden Gesellschaft.
    Was von der Freundschaft gesagt worden, das läßt sich noch füglicher vom Ehestande denken, dem für Zeitlebens dauernden Freundschaftsbande. O ihr unsterbliche Götter! wie würde nicht alles von Ehescheidungen, oder auch noch schlimmern Dingen, aller Orten wimmeln, wenn nicht Schmeichelei, Scherz, gefälliger Leichtsinn, Irrung, Verstellung, meine ganze Scharwache, den Hausfrieden zwischen Mann und Weib unterstützen und nährten? Zum Henker! wie dünne würden die Ehen gesäet werden, wenn der Herr Bräutigam klüglich nachspürte, in was für Spiele sein verschlecket-schamhaft aber naseweises Jüngferchen, schon lange vor dem hochzeitlichen Leben, sich eingelassen habe? und wie manches schon geknüpfte Band würde zerreißen, wenn nicht (Dank sei es der Nachlässigkeit oder Dummheit des Herrn Gemahls!) vieles von dem Tun und Lassen des lieben Weibchens verborgen bliebe?
    Freilich schreibt man alles dieses mit Recht der Narrheit zu; diese aber betreibts inzwischen so, daß der Mann sich des Weibes erfreut, das Weib des Mannes, und die Eintracht sich im friedlichen Hause befestigt. Hahnrei, und was dergleichen Wörterchen mehr sein mögen, ruft hier und da ein Hohnlacher; tut nicht das gute Weibchen wohl, daß sie darüber

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