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Lob der Torheit

Lob der Torheit

Titel: Lob der Torheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erasmus von Rotterdam
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so geträumt hätte, so würd er keine Ursache gehabt haben, sich ein anderes Glück zu wünschen. Zwischen Narren und Weisen ist also höchstens dieses der Unterschied, daß jene die glücklicheren sind; denn, ihre Glückseligkeit kommt sie höher nicht zu stehen, als daß sie dieselbe mit einem kleinen Gedanken erkaufen; und anbei leben sie in einer großen Gesellschaft; ein herrlicher Vorteil! Denn nichts ist so gut, daß es Vergnügen macht, wenn man es einzig für sich haben muß. Der Weisen gibt es sehr wenig; und noch nicht ausgemacht ists, ob sich wirklich einer finden lasse. Griechenland zählt, inner vielen Jahrhunderten, ihrer sieben; aber, beim Herkules sei es geschworen! wenn man die Sache genauer erforschen will, so will ich des Todes sein, wenn man nur die Hälfte, nur den Drittel eines Weisen findet.
    Unter den vielen Dingen, durch die Bacchus sich sein Lob verdient, ist hauptsächlich dieses, daß er aus dem Gemüte die Sorgen wegschwemme; es dauert aber nur eine kleine Weile, denn kaum ich das Räuschlein ausgeschlafen, so stellt sich der Gram über Hals und Kopf wieder ein. Mit der Wohltat, durch die ich segne, hat es eine ganz andere Beschaffenheit: durch eine gewisse stete Berauschung, die man sich ohne Entgelt anschafft, setz ich das Gemüt in immerwährende Wonne.
    Man wird mir keinen der Sterblichen aufweisen können, der nicht dieses oder jenes meiner Freigebigkeit zu verdanken hätte; da andere Gottheiten ihre Gaben nur diesen oder jenen auf eine parteiische Weise zuteilen. Bacchus läßt nicht allerorten den edlen und angenehmen Wein wachsen, der die Sorgen verjagt und dabei man sich in süßer Hoffnung zum reichen Manne trinkt. Nur selten macht Venus schön und Merkur noch seltener zum beredten Manne. Herkules ist sehr sparsam, wenn es aufs Reichmachen ankommt. Der homerische Jupiter setzt nicht jedermann auf den Thron. Oft gewährt Mars keinem der streitenden Heere den Sieg. Schon ein mancher ist mit einem langen Gesichte von dem Dreifuße des Apollo weggeschlichen. Der saturnische Jupiter donnert oft. Phöbus schießt zuweilen pestilenzialische Pfeile. Neptun verschlingt mehr Menschen als er rettet. Wenn ich hier von einem Afterjupiter, einem Pluto, einer schadenfrohen Ate und anderen dergleichen Rache- und Krankheitsstiftern reden wollte, so würde man nicht Götter an ihnen erkennen, sondern Henker.
    Ich einzig, die Narrheit, bin eine so gute Närrin, daß ich bereitwillig mit meinen Wohltaten jedermann zu Diensten stehe. Man hat nicht nötig, mich durch Gelübde zu bestechen; ich erzürne mich nicht; begehre keine Aussöhnungsopfer, wenn man sich bei einer Verehrung in dieser oder jener Zeremonie verfehlt hat; bringe nicht Himmel und Erden in Verwirrung, wenn man die übrigen Götter zu Gaste bittet, mich aber zu Hause sitzen läßt, wo mir kein Opferdunst mit feinen Wohlgerüchen in die Nase steigen kann. Um die übrigen Götter ist es etwas so Mürrisches, daß es bald besser und sicherer ist, man lasse sie in Ruhe das sein, das sie sind, als daß man trachte, sich bei ihnen einzuschmeicheln. Es steht um sie beinahe wie um Leute, die so wunderlich und über jede Kleinigkeit so empfindlich sind, daß es behaglicher ist, keinen Umgang mit ihnen zu haben als sich mit ihnen bekannt zu machen.
    Aber niemand (heißt es) opfert der Narrheit, oder errichtet ihr einen Tempel. O ja (ich habe hierüber bereits mein Herz ausgeschüttet) über eine solche Undankbarkeit verwundere ich mich ein wenig; doch deut ich es, nach der mir angeborenen Gutmütigkeit aufs Beste aus; und im Grunde: warum sollt ich nach solchen Ehrerweisungen lüstern sein? Was soll mir ein Körnchen Weihrauchs, etwas Gebackenes, ein Bock, ein Schwein? Alle Sterblichen dienen mir ja allerorten auf eine Weise, von welcher selbst die Theologen sagen, daß sie weit die vorzüglichste sei. Nein, nein, ich beneide die Diana nicht, daß man ihr Menschenblut zum Versöhnopfer darbringt; ich glaube, daß ich aufs Andächtigste verehrt werde; wenn man mich (und allerorten und von jedermann geschieht es ja) ins Herz aufnimmt und sich in allem Tun und Lassen nach meiner Anweisung einrichtet.
    Auch bei den Christen findet sichs ziemlich selten, daß sie auf eine solche Weise ihre Heiligen verehren. Wie groß ist nicht die Menge derer, welche der jungfräulichen Gottgebärerin eine Wachskerze anzünden und das am hellen Mittage, da sie ganz unnütz ist! Hingegen, wie wenige derer, die ihr durch ein keusches und sittsames Leben und durch

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