Lob der Torheit
wenn er in einem halbvermoderten Buche etliche veraltete Wörter erstänkert oder ein Stück von einem mit verstümmelten Buchstaben bezeichneten Stein hervorgegraben hat; o Jupiter! wie hüpft er nicht vor Freude! Welcher Triumph! Welches Lobgewäsch! Als ob er Afrika besiegt oder Babylon erobert hätte. Wenn sie ihre frostigen und abgeschmackten Verslein allerorten spiegeln und Bewunderer finden, so zweifeln sie nicht, Virgils Seele sei mit Haut und Haar in ihren Leib gefahren. Lustiger ist nichts, als wenn sie sich unter einander loben, bewundern, kratzen. Wenn der Eine sich an einem Wörtchen verstoßen und ein Scharfsichtiger es von ungefähr entdeckt hat; o Herkules! Welch eine Trauerszene öffnet sich! Welches Gekeife, welche Spottnamen, welche Beschimpfungen!
Alle Grammatiker sollen mir über den Nacken kommen; wenn ich nicht die runde Wahrheit erzähle: Ich kenne einen Tausendkünstler, Griechen, Lateiner, Mathematiker, Philosophen, Arzt, und das alles im höchsten Grad; er ist schon sechzig Jahr alt; seit mehr als zwanzig Jahren ereselt und ermartert er sich, alle übrigen Geschäfte hintansetzend, mit der Grammatik; er würde sich für ein rechtes Glückskind halten, wenn es ihm so lange zu leben verstattet würde, bis er es bei sich festgesetzt hätte, wie man die acht Teile der Rede von einander unterscheiden müsse; eine Sache, über die sich bisher kein Grieche und kein Römer zuversichtlich erkläret habe. Er scheut sich nicht, den grausamsten Krieg anzufangen, wenn jemand das Beiwort an die Stelle setzt, wo sich das Fügwort befinden sollte. Da es so viele Grammatiken als Grammatiker gibt, ja noch mehr (denn mein Freund Aldus schrieb ihrer fünf), so läßt unser Held doch keine vorbei, wenn sie auch noch so barbarisch und kopfbrechend geschrieben ist, ohne sie aufs genauste zu durchwühlen; neidisch auf einen jeden, der sich auch auf die widersinnigste Weise an eine solche Arbeit gewaget hat, in der herzabnagenden Furcht, es möchte jemand ihm dieses Ehrenkränzlein ablaufen und ihm die Arbeit so vieler Jahre schänden. Bei Ihnen, meine Herren, steht es, dieses Wahnsinn zu nennen oder aber Narrheit: mir liegt wenig daran, wenn man mir nur eingesteht, meiner Güte und Gnade sei es zuzuschreiben, daß dieser, der sonst das elendeste unter allem Viehe sein würde, sich auf eine solche Stufe der Glückseligkeit schwinge, daß er sein Los auch mit keinem persischen Könige vertauschen würde.
So sehr sind die Dichter mir nicht verpflichtet, ob sie gleich unstreitig von meiner Zunft sind; sie, denen, wie den Malern, alles erlaubt ist; deren Bemühung keinen andern Zweck hat, als die Ohren der Narren durch possenhafte Schwänke und lächerliche Fabeln zu kitzeln. Und dennoch ist es zum Erstaunen, was für große Dinge sie auf diesen Wind bauen: weniger nicht, als daß sie sich und Anderen die Unsterblichkeit und ein wonnevolles Götterleben herzhaft versprechen. Mit der Eigenliebe und der Schmeichelei leben sie vorzüglich vertraut; unter allen Sterblichen ist niemand, der mich mit mehrerer Einfalt und Standhaftigkeit verehrt.
Die Redner treten freilich ein wenig aus dem Gleise und spielen mit den Philosophen unter dem Hütchen; doch sind sie auch von meiner Partei. Wo der Beweis sei? Ich könnte vieles anführen, man merke aber nur dieses: unter andern Possen haben sie vieles und unanständlich von der Kunst zu scherzen geschrieben. Der (er mag sein, wer er will), welcher die Redekunst geschrieben und dem Herennius zugeeignet hat, zählt die Narrheit selbst unter die verschiedenen Arten des Scherzes. Quintilian, den die Redner für ihren Vortänzer erkennen, schrieb vom Lachen ein ellenlanges Kapitel. Diese Schriftsteller schreiben der Narrheit eine so große Kraft zu, daß sie oft das, was sich durch keine Vernunftgründe wegräumen ließe, durch ein Lachen in die Flucht treiben. Man wird es mir doch nicht streitig machen wollen, durch kunstreiche Schwänke ein Gelächter erwecken, gehöre zu den Gaben der Narrheit.
Dieses Gelichters sind auch die, welche sich durch Bücherschreiber einen unsterblichen Ruhm erhaschen wollen. Sie sind mir alle sehr stark in der Tinte; hauptsächlich die, welche das Papier mit nichts als Lappereien überschmieren. Was die betrifft, welche nach dem Urteile einiger weniger Gelehrter, gelehrt schreiben, so scheinen sie mir nicht so fast glücklich zu sein als aber erbarmungswürdig, wenn sie es gleich auf den Entscheid eines Persius oder Cälius wollen ankommen lassen;
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