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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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durcheinander.
    Von uns. Noch vor drei Wochen hätte sie das nicht für möglich gehalten. Aber mittlerweile, nachdem sie die Leichen ihrer eigenen Männer mit dem eingeritzten Zeichen des Hauses Y’Zir gesehen hatte und nachdem Ezra ihr die neuen Zeiten und den Aufstieg dieser geheimnisvollen Karmesinkaiserin verkündet hatte, wusste Winters, dass es, so aberwitzig es oberflächlich betrachtet auch scheinen mochte, durchaus wahr sein konnte.
    Sie folgten den gewundenen Gängen nach oben, bis sie in den weitläufigeren, höhlenartigen Thronraum mit seinem Weidenthron gelangten. Daneben lag die silberne Amtsaxt, und sie griff danach, ehe sie sich hinsetzte.

    Sechs der Zwölf waren anwesend, ebenso eine Handvoll Späher und Klan-Oberhäupter. »Was konnten wir in Erfahrung bringen?«
    Eines der Oberhäupter trat vor. »Wir wissen, dass Vögel gesehen wurden, die nach Süden und Osten fliegen.« Er hielt selbst einen kleinen Vogel in der Hand, dessen braunen Rücken er streichelte. »Die Nachricht ruft die Zigeuner dazu auf, ihrer Bundschaft mit den Androfranzinern Genüge zu tun.«
    Winters streckte eine Hand aus, und der Mann ließ einen kleinen Papierfetzen hineingleiten, der noch mit weißem Garn verschlossen war. Sie las die Nachricht schnell durch. Es war darin von Sumpfspähern an den Toren die Rede, und der Faden war mit Knoten versehen, die den vorgestrigen Tag markierten. Sie blickte von der Nachricht auf. »Haben wir Späher in der Nähe des Palastes?«
    Seamus schüttelte den Kopf. »Nein. Keine, von denen ich etwas weiß, Königin.«
    Winters biss sich auf die Lippen und las die Nachricht noch einmal. Ihr war aufgefallen, dass sie an niemanden adressiert war. Weshalb? Wenn die Androfranziner glaubten, dass sie von Sümpflern belagert wurden, würden sie doch gewiss nicht ausgerechnet ihr einen Vogel schicken.
    »Es könnte eine Falle sein«, sagte sie mit leiser Stimme.
    »Wenn dem so ist«, sagte ein weiterer der Zwölf, der soeben die Höhle betrat, »dann ist sie sehr überzeugend.« Alle Blicke richteten sich auf ihn, und er runzelte die Stirn. »Im Nordwesten steigt Rauch auf«, sagte er. »Der päpstliche Palast brennt.«
    Winters spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich. Erst die Anschläge. Dann die Karawanen. Und nun das . Sie wünschte, Hanric wäre hier. Oder Rudolfo. Oder sogar Neb. Sicher würde einer von ihnen wissen, welcher Pfad an dieser Biegung des whymerischen Irrgartens der beste war.
    Obwohl sie immer noch unsicher war, kam die Antwort wie
von selbst. Winters seufzte. »Macht mein Pferd fertig«, sagte sie. »Wir reiten sofort los.«
    Seamus beugte sich dicht an sie heran, und seine Hände bewegten sich in der finsteren Zeichensprache des Hauses Y’Zir, während sein Körper die Worte vor neugierigen Blicken abschirmte. Ist sich meine Königin des Pfades sicher, den sie einschlagen will?
    Sie nickte. Das bin ich, Seamus. Dann wiederholte sie es laut für alle anderen. »Ich bin mir sicher.«
    Der Raum leerte sich schnell, als die Männer sich an die Vorbereitungen machten. Winters packte ihre Axt, die sie kaum mit einer Hand heben konnte, und erhob sich. »Ich werde deine Hilfe brauchen, Seamus«, sagte sie.
    Der alte Mann verbeugte sich. »Ja, Königin.«
    Winters runzelte die Stirn. »Ich habe noch nie eine Rüstung getragen. Und auch kein Schwert.«
    »Ich werde mich darum kümmern«, sagte er.
    Während er sich aufmachte, zog Winters sich in ihre eigenen Gemächer zurück, um Ersatzkleidung und ein robustes Paar Zigeunerstiefel in einen Ranzen zu werfen. Außerdem legte sie einen Stapel Pergamentblätter und eine Handvoll Griffel dazu. Einen Augenblick lang hielt sie vor dem Eichenschreibpult inne, das ihrem Vater gehört hatte. Dort stand seit ihrer Rückkehr vom Berg die Phiole mit den Stimm-Magifizienten.
    Vielleicht halte ich nun meine erste Kriegspredigt.
    Der bittere Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus, als sie sich an jenen Tag auf dem Drachenrücken erinnerte. Sie dachte an den kalten Wind und daran, wie der Thron ihr ins Fleisch geschnitten hatte, wie ihre Stimme über die zerklüfteten Berggipfel gehallt war und sich in den ausgehöhlten, schneeverwehten Schluchten und Tälern ausgebreitet hatte. Es war das erste Mal gewesen, dass sie ihre Stimme magifiziert hatte.
    Sie griff nach der Phiole und stopfte sie in den Ranzen.

    Hinter ihr klopfte es, und sie wandte sich um. »Ja?«
    Seamus trat ein und kippte eine Ladung Gegenstände auf ihr schmales Bett. »Ich

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