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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Sommers erhoben hatte an der Stelle, wo einst Windwir gewesen war. Sie erinnerte sich an Hanrics donnernden Ruf zu den Waffen, in dessen Folge er auf dem Marsch nach Süden seine erste Kriegspredigt gehalten hatte, und an die genauso aufregende wie erschreckende Erfahrung, zum ersten Mal in ihrem Leben das Sumpfland zu verlassen.
    Sie erinnerte sich, wie die Armeen – alle Armeen – sich unter ihren Standarten am Rande der verheerten Ebene aufgestellt hatten.
    Seltsam, dachte sie, dass sie nicht schon damals den Drang verspürt hatte zu weinen und dass sie sich nicht erinnern konnte, auch nur einmal um ihr Volk Angst gehabt zu haben.
    Aber nun nagten Zweifel an ihr, und sie fragte sich, was sie und ihr Volk am Ende dieses Weges erwarten mochte.
    Und sosehr sie sich auch bemühte, Winters fand keine Worte für eine Kriegspredigt – nicht auf ihrer Zunge und nicht in ihrem Herzen, um ihren Männern Mut zu machen, während sie ihren langsamen Ritt nach Norden antraten.

    Stattdessen ritt sie schweigend im Schatten des Drachenrückens, ihre Augen auf die Sturmwolken gerichtet, die sich vor ihnen sammelten.
    Rudolfo
    Rudolfo knurrte tonlos und wappnete sich für das nächste Schlingern des Schiffes. Der Sturm war rasch aufgezogen, um während der letzten dreißig Meilen zum Hafen auf sie einzuprügeln, und nun kauerten sie sich am oberen Ende der Stufen zusammen und warteten auf den entwarnenden Pfiff.
    Rudolfo hatte seine Tage damit verbracht, in seiner engen Kabine auf und ab zu gehen. An den üppigen Mahlzeiten hatte er keine Freude gefunden, aber dennoch so getan als ob, um seinen Gastgeber nicht vor den Kopf zu stoßen.
    Rafe Merrique hatte sich in den Jahrzehnten, die inzwischen vergangen waren, kaum verändert. Er gab sich ein wenig großspuriger und sprach langsamer, und sein langes Haar war grau wie Eisen geworden, aber im Herzen war er der Piratenfürst geblieben, an den sich Rudolfo aus seiner Jugend erinnerte. Dennoch war die Bundhai Beweis genug dafür, wie gut sich der Mann in den vergangenen Jahren geschlagen hatte.
    Sie war geschmeidig, gut in Schuss und schneller als schnell. Merriques Mannschaft hielt sie gut eingeölt – jede Nacht holten sie die Segel ein und ersetzten sie durch frisches Segeltuch, das in einem Abschnitt des Schiffes getränkt wurde, den man am ehesten als Waschküche bezeichnen konnte. Merrique ließ seine Mannschaft so häufig wechseln wie die Segel, damit sie genauso viel Zeit magifiziert verbrachten wie unmagifiziert.
    Rudolfo war ein Leben lang mit seinen Zigeunerspähern geritten und mit ihren Methoden der Tarnung und den zugehörigen
Magifizienten bestens vertraut, und doch hatte er in all seinen Tagen noch nichts gesehen, das der Bundhai gleichkam.
    Trotzdem konnte nicht einmal dieses Wunder von einem Schiff seine Aufmerksamkeit dauerhaft bannen. Seine Gedanken wanderten immer wieder nach Norden zu seiner Frau und zu seinem Sohn, wenn er nicht gerade über den Karten und Aufzeichnungen der Bundhai brütete oder Merriques Meinung zu ergründen suchte, wohin Tams Eiserne Armada geflohen sein könnte.
    »Niemand außer mir fährt nach Osten«, hatte ihm Merrique verraten. »Und selbst das geschieht nicht mehr allzu oft, nun, da die grauen Talare weg sind. Damit bleiben der Süden und der Westen.«
    Trotzdem hoffte Rudolfo, dass Petronus etwas Erhellendes dazu beitragen würde. Wenn ich den alten Fuchs überhaupt zu sehen bekomme.
    Das Schiff schaukelte wieder, und Rudolfo hörte den Pfiff des Bootsmanns. »Bleibt dicht bei mir«, sagte Merrique mit einem leisen Flüstern.
    Die Luke öffnete sich, und sie kletterten rasch auf das nasse Deck hinaus. Unter Rudolfos Füßen war nichts als das wogende Wasser zu sehen, und der Schwindel, der ihn erfasste, drehte ihm den Magen um. Er zwang sich, die Augen zu schließen, und klammerte sich von hinten an Merriques Gürtel. Hinter sich spürte er, wie seine Zigeunerspäher dasselbe bei ihm taten.
    Sie gingen einer nach dem anderen zur Bordwand des Schiffs und ließen sich in das wartende Langboot hinab. Merrique zog schweres Segeltuch über Rudolfo und seine Männer, unter dem sie sich zusammenkauerten, kullerten und durcheinanderfielen, während die magifizierten Matrosen an den Rudern arbeiteten und sie zur Küste brachten.
    Sobald sie an Land waren, wurde das Ölzeug weggezogen, Rudolfo erhob sich und sprang auf den Landesteg. Sie befanden sich in einem der schäbigeren Viertel der Stadt, das aus nicht mehr als einer Reihe von

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