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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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sparsam ein wenig Erdmagie unter den Nationen der Benannten Lande ausgegeben, aber das meiste davon in der Bemühung zurückgehalten, die Menschheit vor sich selbst zu schützen. Die Benutzung von Blutmagie jedoch war durch die Klauseln der Bundschaft ausdrücklich untersagt. Blutmagie hatte – in der Gestalt von Xhum Y’Zirs Sieben kakophonischen Toden – der Alten Welt ein Ende bereitet. Und zweitausend Jahre später hatte sie Windwir zu Fall gebracht. Er wandte sich an Isaak. »Ich möchte, dass du deine Brüder darauf ansetzt, die Verzeichnisse nach allem zu durchkämmen, was ihr darüber finden könnt.«
    Isaak nickte. »Ja, Herr Rudolfo.«
    »Und schickt nach der Flussfrau.« Die Flussfrau mischte ihre Spähermagifizienten und -arzneien zusammen. Vielleicht wusste sie ja etwas, dachte Rudolfo.
    Der Metallmann nickte abermals, dann wandte er sich um und hinkte rasch fort. Rudolfo blickte Neb an. »Wie geht es dir, Junge?«
    Nebs Augen waren schmal und gerötet, sein Blick auf Hanric gerichtet, der in einer Lache seines trocknenden Blutes lag. »Mir geht es gut, General.«
    »Suche Winters. Sag ihr, was sich zugetragen hat, und bring sie in mein Arbeitszimmer.«
    »Sie wird Hanric sehen wollen«, wandte Neb ein.
    Rudolfo schüttelte den Kopf. »Dafür wird später noch genug Zeit sein. Nimm einen Halbtrupp mit.«
    Hanric war ihr wie ein Vater gewesen, das wusste Rudolfo. Er hatte in ihrem Namen geherrscht, seit sie ein Kind gewesen war, jünger noch als Rudolfo zu dem Zeitpunkt, da er den Turban an sich genommen hatte. An dem Tag, an dem seine Eltern von Vlad Li Tams siebtem Sohn, dem Ketzer Fontayn, ermordet worden waren, war er erst zwölf gewesen.
    Noch eine Waise, erkannte Rudolfo, genau wie der große, schlanke junge Mann vor ihm. Und wie er selbst.

    Ich bin ein Waisenjunge, der Waisenkinder sammelt , dachte er.
    Während er Befehle brüllte, ging er durch die von Blut besudelten Überreste des Ehrenfestes seines Stammhalters und blieb vor den bewachten Doppeltüren stehen. Hinter diesen Türen hatte sich eine Menschenmenge versammelt, die nach Antworten verlangte.
    Und die Welt draußen würde allzu bald die gleichen Antworten wissen wollen. Während im Süden die Feuer des Aufstands und Bürgerkriegs tobten, wankte die Neue Welt immer noch unter der Verheerung von Windwir und dem Verlust ihrer androfranzinischen Beschützer. Das Attentat auf den Kronprinzen von Turam und auf den Mann, den die Welt für den Sumpfkönig hielt, würde das Chaos weiter nähren, das ohnehin schon um sich griff.
    Nein. Ihn nicht, hatte die Stimme gesagt, als einer der magifizierten Attentäter Rudolfo gepackt hatte.
    Weshalb nicht mich? Es beunruhigte ihn, lag ihm kalt und flau im Magen. Drei wichtige Herrscher hatten sich in diesem Raum aufgehalten. Und nun waren zwei davon tot. Und dann diese Nachricht von dem Metallmann im Talar eines Androfranziners, der kurz vor dem Fest zum Hütertor gekommen war und behauptet hatte, der Erzmaschinist Charles zu sein, und die Mahnung überbrachte, Sanctorum Lux zu schützen.
    Wenn das nicht ein whymerischer Irrgarten war.
    Sogar ich warte auf Antworten , wurde Rudolfo klar.
    Er dachte an seine vortreffliche Verlobte, die ebenfalls auf Antworten wartete und ohne Zweifel wie viele andere vor dem Saal stand und zornig war, dass sie nicht hatte hereinkommen dürfen.
    Er dachte an das Kind, das sie trug, seinen Sohn – Jakob, nach Rudolfos Vater benannt. Es war ein plötzliches und unerwartetes Geschenk gewesen, das ihm Jin Li Tam in der Mitte seines Weges gemacht hatte, im Schatten des Krieges, während der Zeit von
Rudolfos größter Ruhelosigkeit. Sie hatte es ihm in der Nacht gesagt, in der er zurückgekehrt war, nachdem er ihren Vater zur Rede gestellt hatte. Vlad Li Tams Beichte hatte sich immer wieder aufs Neue vor seinen geschlossenen Augen abgespielt. Da war sie zu ihm gekommen und hatte ihm im Zimmer seines toten Bruders die gute Nachricht überbracht.
    Noch vor wenigen Stunden hatte er geglaubt, sie könnten die Welt neu erschaffen und müssten seinem Sohn scharfe Messer hinterlassen, die gut in der Hand lagen, damit er dieses Werk fortsetzen konnte, wenn Rudolfo die Klingen an ihn weitergab.
    Aber vielleicht, dachte Rudolfo jetzt, war es in Wahrheit die Welt, die sie erschuf. Und vielleicht mussten die Klingen scharf sein und gut in der Hand liegen, damit Jakob – und die Neun Häuser der Neun Wälder – diesen Schöpfungsprozess überhaupt überlebten.

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