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Lobgesang

Titel: Lobgesang
Autoren: Ken Scholes
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sieht.«
    Petronus beobachtete, wie die Stube begann, sich von selbst aufzuräumen. Die nicht beschädigten Möbelstücke wurden an ihre angestammten Plätze zurückgestellt, und der Besen an der Wand machte sich offenbar aus eigenem Antrieb am Boden zu schaffen. Petronus erhob sich und trug seinen Teil bei, indem er die überall verstreuten Papiere aufhob.
    Er stellte eine weitere Frage: »Ihr hattet zwei Männer hier, die mich über ein halbes Jahr lang beobachtet haben«, sagte er. »Aber Ihr habt gewusst, dass Ihr heute Nacht mehr als zwei braucht.«
    Sechs Männer , dachte er. Und auch die hatten kaum ausgereicht für das, was sie erwartet hatte.
    Sein Angreifer hatte eine neue Art von Magifizienten benutzt oder – sein Magen machte einen Satz – eine sehr alte Art. Aber nicht einmal die Androfranziner hatten ihre Nasen tief genug in die Blutmagie gesteckt, um so etwas herzustellen, nicht vor Xhum Y’Zirs Bannspruch. Natürlich hatte er Geschichten gelesen, über das Jahr des Fallenden Mondes und darüber, wie der Krieg des Weinenden Zaren begonnen hatte. Blutmagifizienten, fünfmal so stark wie die Pulver, die aus Erde gemacht waren, verwandelten einen einzelnen Mann in einen ganzen Trupp. Wenn er nicht gezögert hätte und sich nicht die Zeit genommen hätte, sich mit mir zu unterhalten, wäre ich jetzt tot.
    Grymlis meldete sich zu Wort: »In den Benannten Landen und hinter ihren Grenzen braut sich Ärger zusammen. Vor vier Nächten hat uns ein Vogel erreicht. Jemand hat vor, das Werk zu vollenden, das Sethbert begonnen hat.«
    So sollen die Sünden des P’Andro Whym seine Kinder heimsuchen. Die Worte bohrten sich in ihn wie ein Messer, und sein Blick wanderte unfreiwillig zu dem kleinen Lederbeutel. Jemand wollte die letzten verbliebenen Androfranziner auslöschen. »Aber wer?«

    »Es riecht nach Tam«, sagte Grymlis. »Aber die Nachricht war undurchsichtig. Man hat uns angehalten, über Euch zu wachen. Sie kam verschlüsselt und in whymerischer Schrift.«
    Petronus schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass Tam dahintersteckt. Ich glaube ihm, was er mir gesagt hat; Vlad Li Tam hat sein Netzwerk aufgelöst und mit seinen Söhnen und Töchtern die Benannten Lande verlassen.« Er dachte einen Augenblick lang darüber nach. »Und die Warnung war anonym?«
    »Ja.«
    Ein whymerischer Irrgarten , dachte Petronus. Und da die Benannten Lande immer weiter in den politischen und wirtschaftlichen Zusammenbruch schlitterten, würde es sehr schwer sein, herauszufinden, welche Staaten noch über funktionierende Geheimdienste verfügten. Pylos, Turam und das Entrolusische Delta hatten alle Hände voll damit zu tun, gegen die inneren Unruhen in ihren Reichen vorzugehen. Und den Vögeln zufolge, die er in den letzten vierzehn Tagen erhalten hatte, sprang der Aufruhr mittlerweile auch auf die Smaragdküsten über und schwappte sogar bis zu den Geteilten Inseln und ihren Grenzbezirken hinaus.
    Vielleicht ist es der Zigeuner gewesen? Rudolfos Neun Häuser der Neun Wälder waren das einzige Haus, das eine Blütezeit erlebte. Aber wie hätte es auch anders sein können? Petronus hatte ihm allen Reichtum und alle Besitztümer des Androfranziner-Ordens überschrieben, einschließlich des erheblichen Vermögens aus dem Haus Li Tam.
    Ihr letztes Treffen auf dem Gräsernen Meer, nur wenige Stunden nachdem Petronus Sethbert hingerichtet hatte, war durchaus angespannt verlaufen.
    Der Zigeunerkönig hatte beim Näherkommen sein Schwert gezogen, und Petronus hatte einen Augenblick lang geglaubt, dass der erzürnte Rudolfo ihn tatsächlich erschlagen würde, weil er die Reihe der päpstlichen Nachfolge beendet hatte. Aber
Rudolfo war ein kluger Mann, irgendwann würde er verstehen, dass Petronus ihm damit einen Gefallen getan hatte: Indem er dem Orden das Genick gebrochen hatte, hatte er Rudolfo von den Fesseln der zweitausendjährigen Tradition der Androfranziner und ihren rückwärtsgewandten Träumen befreit.
    »War es vielleicht Rudolfo?«, fragte er. »Hat er uns vielleicht gewarnt?«
    »Möglicherweise, Vater. Er kann sich einen Geheimdienst leisten, das auf jeden Fall. Aber warum unter dem Deckmantel der Anonymität? Ihr habt ihm während des Krieges die Vormundschaft übertragen.« Nun klang Grymlis’ Stimme erstickt vor Zorn. Petronus konnte all die Meilen heraushören, die er auf dem fünffachen Pfad der Trauer zurückgelegt hatte. »Und wer würde uns nach Windwir noch bestrafen wollen?«
    Alles hängt
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