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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Niederen Gefilde vertraut, wo man sich durch Blut und Qualen Gunst und Macht erkaufen konnte. Sein eigener Foltertrakt, der inzwischen seit acht Monaten geschlossen war, war auf ähnliche Weise wie dieser Palast jenen Bluttempeln der Alten Zeit nachempfunden. Allerdings war er nur zum Zweck der Bußfertigen Folter beibehalten worden, ohne das Blut aufzufangen, das dabei vergossen wurde.
    Diese Resurgenten waren eine Bedrohung für die Benannten Lande, der man Einhalt gebieten musste, was bedeutete, dass er während der Befreiung des Hauses Li Tam jede Gelegenheit nutzen musste, um mehr zu erfahren. Es bedeutete sogar, dass er Vlad Li Tam retten musste, wenn er noch am Leben war – dazu gezwungen zu beobachten, wie seine Familie unter den gesalzenen Klingen dahinging. Leise kam Rudolfo auf die Beine und begab sich zum gegenüberliegenden Geländer des Balkons. Als er näher kam, wurden die Worte ein wenig deutlicher, aber noch immer nicht deutlich genug, um sie zu verstehen. Es waren ein Mann und eine Frau, die sich leise unterhielten.
    Er kletterte auf das Geländer und suchte einen Halt für seine Hände, hielt den Atem an und zwang sich, sich so geräuschlos
wie möglich zu bewegen. Er war zu alt für all das, erkannte er, und seit den Tagen seiner Jugend war er nicht mehr geklettert. Die Höhe war nicht mehr die Freundin, die sie ihm einst als jüngerer Mann gewesen war.
    Dennoch mühte er sich weiter hinauf, bis er sich in der Ecke des Balkons kauernd wiederfand.
    Der Tonfall der beiden Stimmen klang wie der eines Liebespaars, und Rudolfo nahm an, dass sie in enger Umarmung nach dem Liebesspiel zusammen im Bett lagen, in die Laken und ineinander verstrickt. Die gemurmelten Worte waren nun deutlich zu verstehen:
    »Im Delta sind die Dinge schneller vorangegangen, als wir vorgesehen hatten«, sagte der Mann. »Erlund hatte es eilig damit, die Sache hinter sich zu bringen. Unser Mann dort sagt, dass der Letzte Sohn schneller als geplant in Windwir sein wird. Wir müssen unser Werk hier beenden und weiterziehen.«
    »Dann werde ich Vlad erledigen, ehe ich lossegle«, sagte die Frau. In ihrer Stimme lag ein Hauch von Traurigkeit, die fast an Liebe grenzte. »Ich denke, unser Gast ist so bereit, wie er es nur sein kann. Und man hat uns nie mehr als vierzig Jahre zugesagt.«
    »Es ist genug.« Rudolfo hörte das Bett quietschen, dann leichte Schritte. »Ich sollte mich um die Kinder kümmern«, sagte er. »Wir müssen anfangen, sie zu verladen.«
    Rudolfo kroch näher an die Tür und spähte in das Zimmer. Eine Kerze flackerte, und in ihrem trüben Licht sah er eine nackte Frau auf dem Bett. Sie war vielleicht zwanzig, mit schlanken Gliedern und braunem Haar, das über ihre Brüste fiel. Sie streckte sich noch einmal, und Rudolfo bewunderte einen Augenblick lang ihren Körper. Ein schlanker junger Mann mit langem, rotem Haar huschte immer wieder durch das Sichtfeld, während er seine Kleidungsstücke aufsammelte. »Ich sollte mich dann um Vlad kümmern«, sagte die Frau und setzte sich auf. »Willst du noch einmal mit ihm sprechen, bevor ich es zu Ende bringe?«

    Der junge Mann lachte. »Ich wüsste nicht, was ich davon haben sollte. Und er wird zu diesem Zeitpunkt schon genug Qualen gelitten haben.«
    »Er ist dein Großvater, was immer er getan haben mag.«
    »Er war eine Hure auf dem Schoß der Whymerer.« Rudolfo hörte die Bitterkeit, die sich in die Stimme des jungen Mannes schlich, und schob sich ein wenig weiter vor, um besser sehen zu können. Der junge Mann sah vage vertraut aus, aber er konnte ihn nicht einordnen. Dennoch hatte er durch das rote Haar und die fein gemeißelten Züge das Aussehen eines Tam an sich.
    Aber auch die Frau wirkte vertraut. Sie blickte den Mann nun an, und Rudolfo erkannte Liebe in ihrem Gesicht. »Mal«, sagte sie, »selbst die Whymerer haben letztendlich dem Haus Y’Zir gedient. Das tun alle, ob sie es nun wissen oder nicht. Bist du sicher, dass du nicht mit ihm sprechen willst, ehe ich es zu Ende bringe?«
    Als er sich zu ihr umwandte, war sein Blick hart. »Ich bin sicher, Ria. Du brauchst nicht noch einmal zu fragen. Und ich werde auch nicht mit irgendeinem anderen von ihnen sprechen. Sie sind nicht mehr meine Sippe.« Er dachte einen Augenblick lang nach. »Trotzdem müssen sie nicht mehr erleiden als nötig.«
    Er hatte sich inzwischen angezogen und schlüpfte in die Sandalen, die neben der Tür standen. Ria erhob sich, und Rudolfo fiel die wilde, ausgelassene Schönheit

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