Lobgesang
auf, die sie ausstrahlte.
»Wir werden ihnen ein schnelles Ende bereiten, sobald wir sicher sind, dass wir haben, was wir brauchen.« Sie ging zu Mal und legte die Arme um ihn, ehe sie ihn küsste. »Sichere Reise, Liebster«, sagte sie, »damit du schnell wieder zu mir nach Hause kommst.«
Er erwiderte den Kuss. »Ich werde nach Hause kommen, sobald ich kann. Wir sind noch nie in diese Gewässer vorgedrungen. Sei vorsichtig«, riet er ihr. » Wir haben es beinahe geschafft.«
» Vorsicht oder nicht«, sagte sie, ihre Stimme gedämpft durch
seinen Hals, »die Karmesinkaiserin wird ihren Thron errichten und durch ihre Gnade alle Dingen zum Guten wenden.«
Sie lösten sich voneinander, und dann ging der Mann. Rudolfo beobachtete, wie sie sich leichtfüßig auf den Zehenspitzen durch das Zimmer bewegte, dabei summte sie ein ihm unbekanntes Lied. Sie begab sich zu einem Waschtisch in der Ecke und betrachtete sich einen Augenblick lang im Spiegel, ehe sie ihre Finger in die verschiedenen Gläser tauchte, die dort offen standen.
Rudolfo beobachtete weiter, obwohl ihm mit jeder weiteren Minute klarer wurde, dass er diesen Balkon verlassen und sich wieder seiner eigentlichen Aufgabe widmen musste. Aber der Anblick der Frau hielt ihn gefangen wie eine Geisel, und als ihre Finger anfingen, sich über ihre Haut zu bewegen, war er wie versteinert. In verschiedenen Grautönen, tiefem Grün und Braun zeichnete sie farbige Linien auf ihr Gesicht und ihren Hals und ihre Arme.
Eine Sümpflerin also, erkannte er. Obwohl die Linien sorgfältiger gezogen und die Farbübergänge kunstvoller waren. Und als sie sich vor dem Spiegel umdrehte, konnte er über ihrem Herzen die hellroten Linien der Narbe sehen, die dort, ein wenig abseits der Mitte, auf ihrer linken Brust prangte wie ein Siegel.
»Lieber Vlad«, sagte sie, während sie in den Spiegel blickte und ein Rot auf ihre Lippen auftrug, das die Farbe einer Blutlache hatte. »Heute Abend wird deine Sippe endlich geheilt, und bald wird diese Heilung uns alle erlösen.«
Rudolfo wartete, während sie eine dünne Robe über ihren nackten Körper zog, und beobachtete, wie sie zur Tür ging. Nachdem sie hindurchgeschlüpft war, zählte er bis fünf, ehe er ihr aus dem Zimmer hinaus folgte.
Er eilte den Gang entlang, um sie einzuholen, und hoffte darauf, dass die Schatten ihn verbargen, während er hinter ihr hergeisterte. Unterwegs streckte er die Hand aus und legte die Finger auf eine Blutleitung, um das warme Pulsen der Worte darin zu
spüren. Die anderen waren so weit, lautete Rae Li Tams Botschaft, und der Feind hatte noch keinen Verdacht geschöpft. Sie hatten die Kinder gefunden, und das Haus Li Tam war bereit, mit allem bewaffnet, was leicht zugänglich gewesen war. Mit ein paar Klopfern wies Rudolfo alle an, ihre Befehle auszuführen.
Inzwischen wurde das Geräusch der Schreie in seinen Ohren lauter, während sie sich einem breiten Treppenhaus näherten, das an einer dunklen, reich verzierten Doppeltür endete. Sie schwang auf einen Pfiff der Frau hin auf, und Rudolfo wurde schneller, um hinter ihr auf die Beobachtungsterrasse zu schlüpfen.
Was er dort sah, raubte ihm beinahe den Atem, obwohl er Stunden damit verbracht hatte, Wein zu schlürfen, während seine eigenen Anatomen der Bußfertigen Folter ihr sühnendes Werk verrichteten.
Rudolfo unterdrückte einen Schrei und lockerte die Spähermesser an seinem Gürtel.
Vlad Li Tam
Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er zuletzt geschlafen hatte oder wie lange er mittlerweile wieder auf die Folterbank gefesselt war. Er erinnerte sich undeutlich daran, dass Ria ihn in die Obhut eines Blutlösers in einer dunklen Kutte übergeben hatte, der ihre Schnitte eher mit Entschlossenheit als mit Leidenschaft fortsetzte, und ihm fiel wieder ein, dass er Sehnsucht nach ihren Händen und ihrer Klinge auf seinem Körper gehabt hatte, wo sie sich langsam und liebend über …
Nein. Das ist keine Liebe , sagte er sich. Es ist eine merkwürdige Bindung, die sich zwischen Gefangenem und Wärter entwickelt – eine Folge von Verzweiflung und krankhafter Hoffnung. Aber es war eine verführerische Fantasie, der man leicht verfallen konnte.
Ich werde meinen Schmerz zu einer Armee heranzüchten.
Aber inzwischen wusste Vlad Li Tam, dass aus seinem Schmerz keine Armee werden würde. Sie hatten seine Kinder und Enkel in einem scheinbar endlosen Strom an ihm vorüberziehen lassen und nahmen sich nicht länger Zeit mit ihren Messern,
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