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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber die Frau sprach zuerst.
    »König Rudolfo«, sagte sie und neigte den Kopf, »beobachtet genau, was sich abspielt, denn es wird eine Zeit kommen, da man Euch bittet, Zeugnis über diesen Tag abzulegen.«
    Er blinzelte sie an und sagte nichts.
    Sie deutete auf Petronus, der abseitssaß, sich verwundert den Hals rieb und einen verlorenen Eindruck machte. »Dem letzten Sohn wurden die Sünden seines Vaters vergeben, und er soll ins
Exil entlassen werden. Seht mich an, Petronus.« Als er aufblickte, lächelte sie ihn an. » Verlasst die Benannten Lande. Geht nach Osten in die Mahlenden Ödlande, von wo Ihr Aschenmänner gekommen seid, um uns unsere Heimat zu stehlen. Bleibt dort. Wenn Ihr zurückkehrt, dann auf eigene Gefahr.«
    Rudolfos Blick verengte sich. »Wer seid Ihr, ihm Befehle zu erteilen?«
    Sie lächelte und machte eine Geste, die den ganzen Raum einschloss. »Ich bin jemand, der bewiesen hat, dass seine Blutspäher zuschlagen können, wo immer und wann immer er es wünscht.« Sie hielt inne, um Meirov anzublicken, und Rudolfo folgte ihrem Blick. Die Königin von Pylos bebte vor Zorn. »Ich bin jemand, der bewiesen hat, dass er sich von Alter und Stand nicht von dem Kurs abhalten lässt, zu dem er berufen ist.«
    »Ihr seid eine Mörderin und unserem Volk verhasst«, sagte eine weitere Stimme, und erst jetzt bemerkte Rudolfo Winters, die sich erhoben hatte und ihre Amtsaxt der Herabkunft schwang.
    Ria lachte. »Und du bist ein Kind, Winters, das mit seinen Träumen und Büchern und seinem weißhaarigen Androfranzinerjungen Königin spielt. Bring mir die Axt und komm mit mir, kleine Schwester. Erklimme den Hochgipfel und stehe an meiner Seite, wenn ich mich ausrufe. Schließe dich mir an, und wir werden uns unsere Heimat zurückholen und das daraus machen, was uns Fürst Y’Zir in seinem Evangelium gelobt hat. Empfange das Zeichen und finde Freude am Dienen und an der Heimat.«
    Rudolfo sah den Zorn auf Winters’ Gesicht, und er erschreckte ihn. Hanrics Verlust hatte sich tief in sie hineingegraben, und der düstere Blick, den sie Ria nun zuwarf, sprach von einer verborgenen Gewalttätigkeit in ihr, die Rudolfo erzittern ließ. »Dies ist nicht der Traum unseres Volkes«, sagte Winters. »Dies ist nicht mein Traum.«
    »Träume wandeln sich.« Rias Blick verengte sich, während sie
fortfuhr. »Und genauso die Herzen von Männern und Frauen. Wie lange, denkst du, haben sich deine Freunde und deine Familie im Geheimen getroffen und im Geheimen gebetet, um sich auf diesen Tag vorzubereiten? Stille Evangelisten, die gelehrt und gepredigt haben, was sich ereignen würde; ein leises Gebet über Jahrzehnte hinweg, das auf die Feuersäule am Himmel wartete, die die Ankunft des Zeitalters der Karmesinkaiserin und ein Ende der Besetzung unserer Lande durch die Heimatdiebe verkünden würde.«
    Windwir. Konnten sie dabei irgendwie die Hand im Spiel gehabt haben? Die Erfüllung ihrer Prophezeiung mit herbeigeführt haben? Das Haus Li Tam war auf jeden Fall verwickelt – Mal Li Tam hatte mit dieser Frau offensichtlich in mehrfacher Hinsicht unter einer Decke gesteckt. Rudolfo merkte, wie sehr Rias Stimme ihn in ihren Bann geschlagen hatte, und zwang sich, den Blick von ihr abzuwenden und wieder auf das Mädchen zu richten. Winters trat vor, und er sah ihre weißen Knöchel auf dem Axtgriff.
    »Ich bin die Sumpfkönigin Winteria bat Mardic«, sagte sie mit ruhiger und gemessener Stimme. »Ich weiß nicht, wer Ihr seid, aber ich bin die einzige Tochter meines Vaters.«
    Ria lachte. »Frag Seamus, ob dem so ist, kleine Schwester.«
    Rudolfo sah, wie Winters noch einen Schritt machte und wie der Zorn in ihrem Gesicht im Gleichklang mit ihrer Entschlossenheit wuchs. Als sie vorwärtssprang, um mit der Axt der Herabkunft zuzuschlagen, wusste Rudolfo, dass sie nicht treffen konnte. Sie stand nicht fest genug, und die Waffe war zu groß und zu schwer für sie, und Winters hob sie viel zu langsam.
    Unsichtbare Hände packten das Mädchen und schlugen ihr die Axt aus den Händen. Die Blutspäher hoben sie hoch und hielten sie, während sie kreischte und nach ihnen trat.
    Ria trat vor, bückte sich und hob die Axt mühelos mit einer Hand auf. In ihrer spiegelnden Oberfläche sah Rudolfo die
Sümpfler, die das Mädchen gepackt hatten, und maß die Entfernung ab.
    Er hielt inne, als Ria sich vorbeugte und Winters auf die Stirn küsste. »Komm mit mir, Schwester. Nimm deinen Platz neben

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