Lobgesang
verbracht, in ihrem Zelt zu weinen, bis sie den Vorsitz über den Bundschaftsrat führen musste.
Und noch während die Last dieser Neuigkeiten sie beinahe erdrückte, hatte Jin sich für die Pflichten gestählt, die vor ihr
lagen. Rae Li Tam war die vielleicht beste Heilkundige der Neuen Welt, und wenn sie sagte, dass es kein Heilmittel gab, glaubte ihr Jin Li Tam. Nicht einmal die Verheißung von Sanctorum Lux konnte ihre Verzweiflung mildern.
Sie hatte ihren Kummer vergraben und sich dem Tag gestellt.
Und nun stank das Zelt nach Blut und Schlamm und Asche, während Petronus um sich schlagend auf dem Zeltboden sein Leben aushauchte. Ihr Sohn weinte – tiefe Schluchzer, die seinen winzigen Körper in den knorrigen Händen des Sumpfpropheten Ezra mit Krämpfen schüttelten. In der kurzen Zeit, die er bei ihr war, hatte Jin Li Tam ihn nie so verloren weinen hören, und es traf sie tiefer als jedes Spähermesser.
Die sogenannte Königin des Machtvolks warf ihr einen kurzen Blick zu, dann kniete sie sich über Petronus und drehte ihn um. »Verzweifelt nicht, Große Mutter. Die Rettung für uns alle ist nahe.«
Sie öffnete den blutgetränkten Talar des alten Mannes und entblößte seine blasse Brust.
Jin Li Tam zwang sich, sich zu wehren, aber ihre Kraft verpuffte irgendwo zwischen ihrem Gehirn und ihrem Körper, und sie hing schlaff in den Armen, die sie festhielten.
Die Hand der Frau bewegte sich bestimmt und präzise, während sie das Messer über Petronus’ Brust führte. Die Arme seitlich ausgebreitet, starrte er mit glasigen Augen nach oben.
Als das Zeichen des Xhum Y’Zir fertig war, blickte die Frau zu Ezra auf. »Bring mir das Kind der Verheißung«, sagte sie. Dann zog sie unter ihrer Rüstung eine Eisennadel und eine gläserne Ampulle an einer silbernen Kette hervor.
Nachdem sie die Nadel in Petronus’ Blut getaucht hatte, entkorkte die Frau die Ampulle und ließ die Nadel hineingleiten, wo sie einen einzelnen Tropfen abstreifte. Dann verschloss sie die Ampulle und erhob sich, um auf Jin Li Tam zuzugehen. Hinter ihr wiegte Ezra ihren weinenden Sohn.
»Euer Kind wird sterben«, sagte sie und beugte sich nahe genug heran, dass Jin den Honig in ihrem Atem riechen konnte. »Bittet mich, ihn zu retten, und ich werde es tun.« Sie steckte die Nadel zurück und schüttelte die Ampulle in ihrer Faust.
Jin Li Tam schluckte. Dieser Mystizismus war düsterer als alles, was das Sumpfvolk bisher gezeigt hatte, und ein Teil ihres Verstandes schreckte davor zurück. »Ihr könnt ihn nicht retten. Er ist krank.« Sie spürte, wie Panik in ihr aufstieg.
Die Frau lächelte. »Bittet mich, ihn zu retten«, sagte sie noch einmal, »und ich werde es tun.«
Dann wandte sie sich um und öffnete die Ampulle, die sie geschüttelt hatte. Jin konnte die dunkle Flüssigkeit darin sehen. »Ihr könnt ihn nicht retten«, wiederholte Jin.
Winteria bat Mardic zog ihre Nadel wieder heraus und entnahm damit einen kleinen Tropfen aus der Ampulle. Sie schüttelte die Nadel über Petronus aus und ließ den Tropfen auf den Schnitt in seinem Hals fallen. Jin Li Tam schnappte nach Luft, als ein stechender Geruch sich im Zelt ausbreitete, und die feinen Härchen auf ihren Armen und ihrem Nacken stellten sich auf, während Petronus’ durchtrennte Luftröhre sich wieder zu schließen begann. Sein Körper fing an, mit den Beinen auf den Boden zu trommeln und mit den Händen zu schlagen. Die Königin des Machtvolks seufzte und schritt über ihn hinweg, um den um sich schlagenden Gliedern auszuweichen.
Aber noch während er zuckte, sah Jin Li Tam, wie seine Augen wild hin und her rollten und seine bleiche Haut von neuem Leben durchströmt wurde. Keuchend setzte er sich auf, sein Blick wild, und immer noch von seinem eigenen Blut besudelt, griff er mit zitternden Händen hinauf zu der gezackten Narbe auf seiner Kehle und dem sorgfältig eingeritzten Zeichen über seinem Herzen.
Die Frau wandte sich an Jin Li Tam, die Ampulle erhoben. »Sehet die Gnade und Barmherzigkeit des Hauses Y’Zir«, sagte
sie, während sie ihr die Ampulle entgegenstreckte. Ihr Blick verengte sich. »Bittet mich, ihn zu retten, und ich werde es tun, Große Mutter.«
Und in diesem Augenblick spielte nichts anderes mehr eine Rolle. Die Blicke der gesamten Benannten Lande lagen auf ihr, und sie bemerkte sie nicht. Sie sah nur ihren Sohn und das Wunder, das man ihr darbot. Ihr ganzes Leben lang hatte sie gesehen, wie ihr Vater seine Kinder benutzte, um die Welt
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