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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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verholfen.
    Der gebrochene Mann hatte ihm mehrere Seiten vorgelesen, dann hatten sie rasch einen Blick gewechselt. Der Zorn und die Qualen in seinen Augen waren beinahe dem gleichgekommen, was Lysias beim Vorlesen dieser Worte gespürt hatte.
    Nun hob er das Messer und öffnete den Beutel. Seit seinen Tagen auf der Akademie war er nicht mehr unter dem Einfluss von Spähermagifizienten gestanden, aber er erinnerte sich daran, wie es sich anfühlte. Er bestäubte seine Schultern und Füße mit dem Pulver, dann leckte er den bitteren Rest vom Handteller und stählte sich für das, was vor ihm lag. Sein Magen drehte sich, und er übergab sich auf den Boden seines Zeltes.

    Alles verbog sich um ihn herum, und die Welt bewegte sich unter seinen Füßen. Die Geräusche des Lagers draußen wuchsen zu einem Brüllen an, und sein schlagendes Herz maß wie eine Marschtrommel die Zeit.
    Er schnappte nach Luft und spürte, wie ihn Kraft durchströmte.
    Laufend setzte er sich in Bewegung und nahm den Weg, den er vorher am Nachmittag sorgfältig mit Schritten abgemessen hatte, nachdem er entschieden hatte, was zu tun war. Es gab nur eine Erwiderung, auch wenn es kein Zurück mehr geben würde, sobald er sie in die Tat umgesetzt hatte.
    Dennoch würde er diesen richtigen Pfad einschlagen.
    Ignatios Zelt wurde nur leicht bewacht, aber nicht von Lysias’ Soldaten. Der Geheimdienstleiter setzte seine eigenen Männer dafür ein, und Lysias machte es nichts aus, sie zu töten. Noch ehe ihre Körper stilllagen, war Lysias’ Hand auf Ignatios Mund und seine Klinge an seinem Hals.
    »Ich weiß, wer du bist und was du getan hast«, flüsterte er in das Ohr des strampelnden Mannes.
    Er rief sich Vlad Li Tams Stimme in Erinnerung, die aus dem Buch vorgelesen hatte: über den Kult im Norden und die Agenten der Tam, die in den Orden eingeschleust worden waren, über die Y’Ziriten in hohen Rängen. Über die Tochter eines entrolusischen Generals, die man zur Witwe machen und ihres Sohnes berauben musste, damit sie zur Amme für einen anderen wurde. Über den Blutpakt, der ausgehandelt worden war, um das Leben jenes Zigeunerprinzen zu schonen und sie alle auf die Ankunft einer Karmesinkaiserin vorzubereiten. Als er sich all das ins Gedächtnis rief, spürte er Wut, und in dieser Wut fand er Entschlossenheit.
    »Ich weiß, was du getan hast, Ignatio«, sagte er noch einmal, »und heute Nacht bezahlst du dafür.«
    Ignatio bäumte sich unter seinem Griff auf, und Lysias setzte sein Körpergewicht ein, um den Mann festzuhalten. Er stach mit
dem Messer in die Haut und wartete darauf, dass das Kallazain seine Wirkung tat. Er hielt den Geheimdienstleiter fest, bis sein Strampeln langsamer wurde, und dann, gerade als er erschlaffte, griff Lysias nach dem Beutel und kippte den Rest des Pulvers in Ignatios offenen Mund.
    Nachdem er unsichtbar geworden war, hob Lysias den gelähmten Mann auf die Schultern und stolperte mit ihm hinaus in den Schnee.
    Er bewegte sich vorsichtig durch das Lager, blieb dicht an den Schatten und übte sein Gesuch an Rudolfo ein. Nach dieser Nacht war er fertig mit dem Delta. Er würde auf die Gnade des Zigeunerkönigs und auch seiner eigenen Tochter hoffen.
    Und er würde darauf hoffen, dass das Werk dieser Nacht ihn auch in seinen eigenen Augen erlöste.
    Er kam rasch an den Fluss und setzte Ignatio im flachen Wasser ab. Er legte ihn auf den Rücken und beugte sich so nahe an den Geheimdienstleiter, dass er dessen weit aufgerissenes, entsetztes Auge dicht vor seinem eigenen sehen konnte. »Du hast das Kind meiner Tochter getötet, du blutdurstiges Schwein«, sagte er mit leiser und sachlicher Stimme.
    Danach drehte er den Mann um, so dass er mit dem Gesicht unter Wasser lag, und erhob sich. Er stellte einen Stiefel auf Ignatios Hinterkopf und drückte ihn fest auf den Grund des seichten Flusses.
    Dort stand er schweigend eine Weile, bis er sicher sein konnte, dass sein Werk vollendet war.
    Anschließend schob Lysias die Leiche in die Strömung und wandte sich zurück zum Zigeunerlager.

Kapitel 25
    Vlad Li Tam
    Vlad Li Tam beugte sich über seine Schaufel und versuchte, nicht auf die in Segeltuch gehüllte Leiche zu schauen. Dennoch wanderte sein Blick gegen seinen Willen hin, und dann füllten sich seine Augen mit Tränen – ebenfalls gegen seinen Willen. Die Sonne ging östlich von ihnen auf und färbte den fernen Hüterwall violett und rosarot.
    Sie hatten sich eigens dafür mit ihr auf der Bundhai eingeschifft, aber er

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