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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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war, wickelten sie Hanric in König Jakobs Steppdecke, die Kerze in einer Hand und die Schleuder in der anderen, und legten ihn mit seinen restlichen Gaben in das Grab. Dann warf jeder der Reihe nach eine Schaufel voll Erde auf die schlafende Gestalt, damit die Niederen Gefilde den Freund verschlingen konnten.
    Als sie fertig waren, entfernten sich die Sümpfler einer nach dem anderen, bis nur noch Neb und Winters vor der frisch aufgeworfenen
Erde standen. Schließlich setzen sie sich Seite an Seite auf die Meditationsbank.
    »Ich weiß, dass du gehen musst«, sagte Winters seufzend.
    Neb legte ihr den Arm um die schmalen Schultern. »Ich muss. Aber ich will nicht.«
    Sie lachte und klang dabei beinahe verbittert. »Was wir wollen, ist nur selten von Belang, Nebios ben Hebda. Dein Herr trägt dir auf zu gehen.«
    Er blickte sie an. Hier neben ihm schien sie ihm viel kleiner als vorhin, als sie vor ihren Leuten gestanden war. »Aber was trägt meine Herrin mir auf?«
    Winters lächelte. »Ich trage dir auf, den Pfad einzuschlagen, zu dem du berufen bist. Ich trage dir auf, unsere Heimat zu finden, wie es unsere Träume vorhergesagt haben.«
    Aber was, wenn die Träume falsch sind? Er stellte die Frage nicht. Er wollte sie nicht stellen. Stattdessen traf er eine Aussage, von der er sich innig wünschte, sie möge sich in ein Versprechen verwandeln. »Ich werde in einer Woche zurück sein«, sagte er.
    Sie rückte näher zu ihm und lehnte sich an, und Neb spürte, wie sie zitterte. »Dann werde ich weg sein.« Sie verstummte kurz und rutschte unbehaglich hin und her. »Ich fürchte, dass sich mein Volk in etwas Finsteres verwandelt, obwohl ich nicht weiß, in was. Meine eigene Sippe hat das angerichtet. Ich muss wissen, weshalb.«
    Die Nachricht, dass die Attentäter Sümpfler gewesen waren, hatte sich still in den Reihen der Späher verbreitet, und es war zweifellos eine Finsternis, die Winters ausloten musste. Sie war die Sumpfkönigin, und auf sie wartete die Pflicht. Er war Offizier der Zigeunerspäher – der Waldbibliothek – und hatte eigene Pflichten.
    Neb wollte widersprechen. Er wollte seinen Offiziersschal abstreifen, den Eimer mit dem inzwischen erkalteten Schlamm nehmen und sich damit einreiben. Er wollte seine Messer in ihren
Dienst stellen und ihr zurück in die Sumpflande folgen, um diejenigen zu stellen, die für den Angriff der letzten Nacht verantwortlich waren.
    Aber ich habe der Bibliothek Treue gelobt. Nicht der Bibliothek, dachte er, sondern dem Licht des Wissens, für das sie stand, und dem Mann, der dieses Licht hier in den Neun Wäldern hüten würde, weit weg vom politischen Aufruhr der Benannten Lande. Und wenn die Träume ihres Volkes wahr waren, wachten die Neun Häuser der Neun Wälder auch über den Weg in die Heimat, die er für Winters finden sollte. Er seufzte und zog sie noch einmal an sich, atmete ihren erdigen Duft ein.
    Nach einer oder zwei Minuten der Stille erhob sich Neb, und Winters erhob sich mit ihm. Als sie sich umwandte, um ihn anzublicken, tat er es ihr gleich, und sie umarmten einander.
    »Ich werde dich in unseren Träumen treffen«, flüsterte sie. »Bleib gesund und mögen deine Wege sicher sein, Nebios ben Hebda.«
    Dort an Hanrics Ruhestätte im Herzen des whymerischen Irrgartens küssten sie sich noch einmal. Als sie fertig waren, strich ihr Neb eine Strähne des schmutzigen, ungekämmten Haars aus dem schmalen Gesicht. »Bleib gesund und mögen deine Wege sicher sein, meine Königin«, sagte er. Seine Stimme zitterte, während er die Worte sprach. Ein tief in seinem Inneren verborgener Teil wusste, dass sie von nun an eine Zeit durchleben würden, die alles andere als sicher war. Trotzdem sagte er es noch einmal und benutzte ihren förmlichen Namen: »Mögen deine Wege sicher sein, Winteria.«
    Winters nickte, und er ließ die junge Königin mit ihrem Schatten allein, machte sich auf den Weg zurück nach draußen und dachte an die Mauern aus Dornen, die ihn einengten, seinen Körper und seine Seele. Er begab sich eilig zum Innenhof, in dem die Pferde und Wagen warteten. Isaak saß im Sattel eines großen Hengstes und hielt die Zügel von Nebs Pferd. Eine kalte
morgendliche Böe ließ die Säume seines dunklen Androfranziner-Talars flattern.
    Neb nahm die Zügel und überprüfte schnell die Reiseausrüstung, die einer der Männer hinter dem Sattel befestigt hatte, dann schwang er sich auf den Rücken des Pferdes. Neb nickte, als Aedric ihn anblickte, und mit einem

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