Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
Vom Netzwerk:
Pfiff ließ der Erste Hauptmann seine Männer losreiten.
    Ohne ein Wort und ohne einen Blick zurück ritt Neb mit seinem Trupp nach Osten in das rote Licht der langsam erwachenden Sonne.
    Rudolfo
    Spätvormittägliche Sonnenstrahlen fielen schräg durch die Fenster des Zimmers, das nach Räucherwerk und Schweiß roch. Rudolfo saß in einem Sessel neben dem Bett und hielt Jin Li Tams Hand. Bei jeder Wehe spürte er, wie seine Knöchel zu brechen drohten, während sie stöhnte und immer fester zudrückte. Er blickte auf – als Erstes zur Flussfrau, die neben dem Fußende des Bettes beobachtete und abwartete, dann zu seiner Verlobten, der herrlichen Tochter des Hauses Li Tam.
    Sie lag in ihren schweißgetränkten Laken, ihr rotes Haar war nass und klebte ihr an Stirn und Wangen. Ihr Baumwollhemd hing an ihrem Körper, und dort wo die feuchte Baumwolle haften blieb, schien ihre rosafarbene Haut hindurch. Ihre Muskeln waren angespannt, ihre Augen zusammengekniffen, ihr Kiefer verkrampft.
    »Ihr macht das gut, Liebes«, sagte die Flussfrau, aber Rudolfo hörte die Besorgnis in ihrer Stimme. Ein Tablett mit verschiedenen Käsesorten und eine Karaffe mit lauwarmem Birnenwein standen unberührt auf einem kleinen Tisch, der leicht zugänglich
war. An der Tür wurde leise geklopft, und Rudolfo sah, wie die Flussfrau die Stirn runzelte ob dieser neuerlichen Störung an einem störungsreichen Tag.
    Eines der Mädchen der Flussfrau öffnete die Tür einen Spaltbreit und tauschte ein paar verhaltene Worte mit dem Bittsteller aus. Die Flussfrau warf Rudolfo einen raschen Blick zu. »Euer Zweiter Hauptmann, edler Herr.«
    Er wollte aufstehen, aber Jin Li Tams Griff hielt ihn davon ab. »Nein«, sagte sie. »Du verlässt mich nicht noch einmal.« Ihre blauen Augen waren zu Schlitzen verengt, und die Festigkeit ihrer Stimme duldete keinen Widerspruch. »Hol ihn herein«, sagte sie.
    Auch die Stimme der Flussfrau war fest. »Meine Dame, ich glaube nicht …«
    Rudolfo blickte von Frau zu Frau. Der Ausgang dieses Kampfes war nicht schwer vorherzusagen.
    »Dies ist kein guter Zeitpunkt für einen Streit«, sagte Jin Li Tam, und Ärger und Schmerz verliehen ihrer Stimme Schärfe. » Lasst ihn herein. «
    Die Flussfrau gab nach, und Philemus, der Zweite Hauptmann der Zigeunerspäher, kam herein, obwohl ihm sein Unbehagen deutlich anzumerken war. »General«, stammelte er mit einem Nicken und wurde dann blass, als er einen Blick auf Jin Li Tam warf. »Meine Dame, ich entschuldige mich, dass …«
    »Ihr braucht Euch nicht zu entschuldigen, Hauptmann«, sagte sie. Ihr Körper verkrampfte sich erneut, und sie knurrte. »Lasst Eure Botschaft hören.«
    Er schluckte und nickte. »Unsere Späher haben die Angreifer überwältigt. Sie waren zu viert. Sie sind alle tot.«
    Rudolfo hob eine Augenbraue. »Tot?« Unwillkürlich sprang sein Verstand zurück zu dem Kampfgewühl der letzten Nacht, zu der Stärke ihrer Angreifer, die sie so bedingungslos überrannt, so beiläufig hochgehoben und zur Seite geschleudert hatten, als wären Rudolfo und seine Besten und Aufgewecktesten aus Papier
und nicht aus Fleisch und Blut. Seine Männer konnten sie nicht überwältigt haben, nicht unter diesen Umständen. Wenn doch … »Sind ihre Magifizienten ausgebrannt?«
    Philemus schüttelte den Kopf. »Nein, General. Aber sie waren leicht zu verfolgen. Sie scheinen mitten auf der Flucht plötzlich gestorben zu sein, sie hatten schon fast den Rand des Gräsernen Meeres erreicht. Ich habe den Männern aufgetragen, die Leichen hierherzubringen.« Er zögerte. »Der Anatom Benoit ist jetzt ebenfalls eingetroffen. Er wird mit seinen Untersuchungen beginnen, sobald die Wirkung der Magifizienten nachlässt.« Er blickte zur Flussfrau. »Und sobald Eure … Aufgabe … hier beendet ist, natürlich«, fügte er hinzu.
    Jin Li Tam warf sich erneut herum und bäumte sich auf. Diesmal schrie sie noch lauter, und Rudolfo wandte sich wieder zu ihr. Von unzähligen Hügelkuppen aus hatte Rudolfo hunderte von Scharmützeln beobachtet, und gelegentlich hatte er sich fluchend mitten ins dichteste Gedränge gestürzt, wenn das Warten unerträglich geworden war. Aber dies war eine Schlacht, in die er nicht eingreifen konnte, und diese Machtlosigkeit erzürnte ihn. Seit jeher hatte er seine Männer von diesen Augenblicken erzählen hören, doch während er älter geworden war und akzeptiert hatte, dass er trotz aller Versuche wahrscheinlich keinen Erben bekommen würde, hatte er das

Weitere Kostenlose Bücher