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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Anspruch genommen worden, und vor einer Woche waren sechs jener Männer tot aufgefunden worden, ihre Leichen hatte man unter blutgetränkten Laken hinausgeschafft, wo sie verschwanden,
so wie Ignatio schon hundert andere Leichen hatte verschwinden lassen. Der Leiter des Geheimdienstes mochte ob dieser Ereignisse beunruhigt gewesen sein, Erlund jedoch schäumte regelrecht vor Wut. Lysias lagen auch Berichte über schwarzgewandete Reiter vor, die aus Erlunds persönlicher Garde entsandt worden waren – Spione, die sich nach Norden, Westen und Osten aufgemacht hatten. Diejenigen, die nach Osten geritten waren, waren noch nicht zurückgekehrt.
    Nachdem er die Jagdhütte verlassen hatte und auf die nahegelegenen Baracken zuhielt, versuchte Lysias, in den Himmel zu blicken und an diesem frostigen Wintertag etwas Schönes zu finden. Es hatte geregnet, der Schnee der letzten Nacht war rasch zusammengeschmolzen, und der Morgen roch nach Kiefernnadeln und Lehm.
    Vielleicht bin ich inzwischen zu alt für diese Arbeit. Vor Windwir hatte er nichts dergleichen gespürt, und auch nicht, bevor er die Wachen zu Sethberts Schlafgemach geführt hatte, um den Wahnsinnigen festzunehmen. Damals hatte er sie zum ersten Mal empfunden, diese Mattigkeit, die sich an ihn heranpirschte, aber er hatte sie nicht dem Alter zugeschrieben. Den Schlussstein jedoch hatte der Augenblick gebildet, als seine eigene Tochter sich mit einem abtrünnigen Bibliothekar eingelassen hatte und mit ihm nach Parmona geflohen war, nachdem die Stadt ihren Statthalter und seine Brigaden niedergeworfen hatte. Das war der Tag gewesen, an dem er sich zum ersten Mal alt vorgekommen war. Der Ausdruck in ihren Augen, als er sie das letzte Mal gesehen hatte, ihrer Mutter so ähnlich, hatte noch ein anderes Gefühl in ihm heraufbeschworen, das er nur zu gerne wieder abgelegt hätte. Doch seitdem trug er es mit sich herum, und es drückte ihn zu Boden; er konnte es nicht von sich weisen, denn es widersetzte sich erfolgreich allen Strategien und Taktiken, die er aufbot.
    Ich war daran beteiligt, dass es so weit kommen konnte.
    General Lysias drängte das plötzliche Gefühl der Schuld zurück
und griff nach dem einen Anker, der ihn in den vergangenen Zeiten stets am besten aufrecht gehalten hatte.
    Immerhin war er vor allem anderen ein Mann der Pflicht.
    Rudolfo
    Rudolfo stand in seinem Ankleidezimmer und genoss den Augenblick der Stille und Ruhe. Er hatte einen großen Teil des Tages damit verbracht, Vögel auszusenden und mit Hauptmann Philemus das Vorgehen bei den Nachforschungen zu besprechen. Irgendwann in der Nacht oder am frühen Morgen erwarteten sie Antwortvögel auf die Erkundigungen, die sie über das dünne, aber schlagkräftige Netz von Spionen und Informanten eingezogen hatten, das die Waldzigeuner in den Benannten Landen unterhielten. Auf diese Nachrichten wartete er ungeduldig, aber auch andere Vögel würden kommen – Vögel, auf die er sich nicht freute, die fliegen würden, sobald der siechende König von Turam vom Ableben seines einzigen Erben erfuhr.
    Zwischen den Vögeln und Philemus hatte er auch noch Zeit gefunden, sich lange genug mit dem Anatom zusammenzusetzen, um seinen Bericht über die Öffnung der Leiche des einen Sümpflers anzuhören, die bereits im Eishaus gekühlt wurde. Es waren verblüffende Neuigkeiten.
    »Etwas Derartiges habe ich noch nie gesehen«, hatte der Anatom zu einem bekräftigenden Nicken der Flussfrau berichtet. »Sein Herz hat ihm den Dienst versagt, zusammen mit allen anderen Organen.«
    »Also Gift?«, hatte Rudolfo die Vermutung geäußert, die ihm als Erstes in den Sinn kam.
    Aber der Anatom hatte den Kopf geschüttelt. »Ich denke, dass es die Blutmagifizienten waren.«

    Noch Stunden später beschäftigte ihn das Rätsel. Seufzend blickte er zu dem einzigen kleinen Fenster des Ankleideraums hinaus, um abzuschätzen, wie viel vom Tag noch übrig war. Es würde bald dunkel werden, und er musste sich noch mit Winters treffen, seine Vorgehensweise mit ihr absprechen und ihre Meinung dazu hören, ehe sie morgen mit ihren Leuten heimkehrte. Er beneidete sie nicht um den Pfad, der vor ihr lag.
    Wenn die Attentäter wirklich Sümpfler gewesen waren, erwarteten Winters nicht nur innerhalb ihres eigenen Reiches Schwierigkeiten, sondern bald auch von außerhalb. Turam würde den Tod seines zukünftigen Königs nicht gut aufnehmen, trotz der inneren Unruhen, mit denen es sich im Moment herumschlagen musste.
    Und Rudolfo würde

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