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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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die Logik hinter meinen Worten erkennen.« Er zählte leise bis zehn und fuhr dann fort: »Wir würden unsere Ressourcen besser nutzen, wenn du hier in den Neun Wäldern bleibst und dich um unsere Interessen kümmerst, während du für den Jungen sorgst.«
    Einen Augenblick lang flackerte Panik hinter dem Funkeln in Jins Augen auf, und Rudolfo sah zum ersten Mal, wie bedrohlich eine Mutter werden konnte, wenn ihr Kind in Gefahr war. Schließlich ließ die Panik nach, und Rudolfo sprach weiter. »Hier braut sich ein Sturm zusammen«, sagte er. »Der Tod von Ansylus und sogar der von Hanric werden alle Blicke auf die Sümpfler ziehen, zu einer Zeit, da die Welt für ihr Leid einen Sündenbock braucht. Und wir sind die Einzigen, die mit den Sümpflern Bundschaft halten. Deine Fähigkeiten in diesem Tanz überragen die meinen bei Weitem, auch wenn ich die Grundschritte natürlich beherrsche.«
    Jin kniff die Lider zusammen. »Was schlägst du vor?«
    Vor seinem geistigen Auge setzte Rudolfo seine Strategie um und prüfte sie auf Schwachstellen. Grundsätzlich gab es zwei Vorgehensweisen, aber er brachte es nicht über sich, jemand anderem den Schatz anzuvertrauen, den das Leben seines Sohnes darstellte. Er konnte keine Späher schicken, wie sie es angedeutet hatte. Das würde nicht genügen.
    Es stimmte zwar, dass er ein gerissener Damenkrieg-Spieler war, wenn es um die politischen Machenschaften in den Benannten Landen ging, aber Jin Li Tam war noch um einiges besser. Er wurde hier nicht persönlich gebraucht, obwohl ein Teil von ihm vor dem Gedanken zurückscheute, sich angesichts der aktuellen Lage vom Spielbrett abzuwenden. Trotzdem war er entschlossen.
Langsam sprach er die Worte und spürte die Ironie, die sie ihm beinahe im Halse stecken bleiben ließ. »Ich schlage vor«, sagte er, »dass ich gehe, um deinen Vater zu suchen.«
    Jins Überraschung war nicht zu verbergen. »Du hast geschworen, meinen Vater bei eurem nächsten Treffen zu töten. Er hat deine Familie umgebracht. Er hat Gregoric umgebracht.«
    Jede dieser Erinnerungen versetzte ihm einen Stich, aber er ließ seinen Blick auf die winzigen Augen seines kleinen Sohnes gerichtet. »Wenn alles vorüber ist, töte ich ihn vielleicht auch noch. Aber ich werde nicht ruhen, ehe ich ihn und deine Schwester gefunden habe.«
    Jin Li Tam öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber Rudolfo war schneller. »Das bringt mich zu einem weiteren Punkt«, sagte er und verlagerte das Kind auf seinem Arm, damit er in seiner Tasche nach der kleinen Holzschachtel wühlen konnte.
    Jin beäugte die Schachtel neugierig, während er sie öffnete. Als er zu sprechen ansetzte, klang seine Stimme, als käme sie von weit her. »Jin Li Tam vom Haus Li Tam, Mutter von Jakob, ich stelle mein Land und meine Klinge in deine Dienste und entbiete dir diesen Ring als Unterpfand unserer Heirat. Trage ihn und zeige der Welt, dass du die eine bist, die vor allen anderen in meiner Gunst steht.« Er hatte die Worte nie geübt; er hatte sie sein ganzes Leben lang gekannt. Und natürlich war Rudolfo davon ausgegangen, dass dieser Tag schon bald kommen würde, hatte aber geglaubt, sie könnten warten, bis sie aus dem Schatten von Windwirs Fall getreten waren.
    Nun wurde ihm klar, dass sie diesem Schatten vielleicht niemals entkommen würden, und wenn doch, wiesen sie womöglich nur den Weg in noch düsterere Zeiten. Langsam nahm er den Ring, den seine Mutter an jedem Tag ihres Lebens als Frau getragen hatte, und hielt ihn Jin Li Tam hin. Ihre Blicke begegneten sich, und er sah die Tränen, die in Jins Augen standen. Sie streckte die Hand aus, und er steckte ihr den Ring auf den Mittelfinger,
erfreut, dass er passte. »Jetzt«, sagte er mit leiser Stimme, »mach es genauso.«
    Ihre Finger zitterten leicht, als sie den zweiten Ring nahm und ihn Rudolfo auf den Finger steckte. »Rudolfo, Herr der Neun Häuser der Neun Wälder, Sohn von Jakob und Vater von Jakob«, sagte sie, »ich verpflichte dir mein Herz und meine Hand und entbiete dir diesen Ring als Unterpfand unserer Heirat.« Ihre Blicke trafen sich wieder. »Trag ihn und zeige der Welt, dass du der eine bist, der vor allen anderen in meiner Gunst steht.«
    Rudolfo neigte den Kopf vor seiner Frau. Seine Frau tat es ihm gleich, und zwischen ihnen strampelte Prinz Jakob und weinte.
    Rudolfo hob eine Hand und hielt den einfachen Silberring ins Licht. Seit dem Tag, an dem sie ihn von der kalten Hand seines Vaters genommen hatten, hatte er nicht

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