Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
Vom Netzwerk:
aber du versuchst es immer wieder. « Als Mal noch ein kleiner Junge gewesen war, hatte er sogar die Schritte der Personen aus seinem Umfeld einstudiert und den Gang einiger seiner Geschwister, seines Vaters und einmal sogar den von Vlad selbst nachgeahmt. Es war zu einer Art Spiel geworden.
    »Aber jetzt hast du deinen eigenen Gang gefunden«, bemerkte Vlad.

    Der junge Mann nickte. »Ja, Großvater.« Er trat neben Vlad an den Bug. »Was, denkst du, hat Vater gefunden?«, fragte er und starrte nach Süden.
    Vlad Li Tam warf ihm einen kurzen Blick zu, dann wandte er sich wieder zum Horizont. »Das ist unmöglich abzuschätzen. Irgendwo dort draußen arbeitet jemand gegen uns.« Er hatte darüber Schweigen bewahrt und, soweit es vertretbar gewesen war, nur spärliche Hinweise ausgegeben. Genug, damit sie sich auf die Suche einlassen und sie weiter vorantreiben. Das enge Netzwerk, das das Haus Li Tam über zwanzig Jahrhunderte aufgebaut hatte, war irgendwie infiltriert und umgestaltet worden, und derjenige, der dafür verantwortlich war, musste ein wahrer Meister der Spionage sein, denn er hatte keine greifbaren Beweise hinterlassen. Nicht einmal der goldene Vogel hatte irgendwelche brauchbaren Hinweise ausgespuckt. Der kleine Automat war seit Generationen fester Bestandteil der Familienbibliothek gewesen, und sein plötzliches Verschwinden nur Monate vor der Zerstörung von Windwir verwirrte Vlad Li Tam – seine plötzliche Rückkehr noch weitaus mehr. Vlad hatte ihn eigenhändig auseinandergenommen und ihn beschädigt, wie er war, wieder zusammengebaut, ehe er ihn der neuen Bibliothek gespendet hatte. Und doch hatte jemand seine Register neu geschrieben und ihm befohlen, fortzufliegen und Windwirs Fall zu bezeugen. Und dieser Jemand hatte ihn während der Zeit seines Verschwindens eingesetzt, um Nachrichten an Orte zu bringen, die nur die Götter kannten.
    Sein Enkel runzelte die Stirn. »Und bist du sicher, dass diese Bedrohung von außerhalb der Benannten Lande kommt?«
    Vlad Li Tam nickte. »Davon bin ich überzeugt.« Er überlegte kurz, dann fügte er hinzu: »Zumindest hat der Orden das geglaubt. « Vor seinem inneren Auge zog der Inhalt des Beutels vorüber, den er Petronus am Tag der Gerichtsverhandlung übergeben hatte: die Karten und Koordinaten der Androfranziner,
ihre sorgsam ausgearbeitete Strategie, die Sieben kakophonischen Tode durch einen Chor von Mechoservitoren auszubringen, um die verletzlichen Handelsküsten der Benannten Lande zu schützen. »Sie haben eine Invasion befürchtet«, sagte er leise.
    »Aber was«, fragte sein Enkel, »wenn es nur eine List war?«
    »Das habe ich mich auch gefragt«, gab Vlad Li Tam zu. »Alles, was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass ihre Angst vor einer Bedrohung groß genug war, um Xhum Y’Zirs Bannspruch zurückzuholen. «
    Mal Li Tam nickte. »Wenn sie dort draußen ist«, sagte er, »bin ich sicher, dass wir sie finden werden.« Sein Gesicht erstrahlte im violetten Licht des Abends. »Oh, ich habe etwas für dich, Großvater. « Mal griff in seine Tasche und zog einen kleinen Beutel hervor. »Rae Li Tam hat sie kurz vor dem Fest gefunden und mich gebeten, sie dir zu geben. Ich wollte sie vorher trocknen«, sagte er mit einem Lachen, »aber das ist gar nicht so einfach, wenn man auf See ist.« Er reichte Vlad Li Tam den Beutel, der den Inhalt sogleich auf seine Hand leerte.
    Er hob die Kallabeeren an die Nase und atmete ihren stechenden Geruch ein, spürte, wie sich sein Herzschlag bei ihrem Anblick und Duft beschleunigte. Wie lange war es her? Vier oder vielleicht fünf Monate? Er hatte die Pfeife zunächst aus purer Notwendigkeit aufgegeben, da er wusste, dass die getrockneten Beeren immer schwerer zu bekommen sein würden, je weiter sie hinausfuhren. Aber später war es eine rationale Entscheidung gewesen. Das Vergessen und die Ruhe waren ein Luxus, dem er sich bei der Aufgabe, die vor ihm lag, nicht mehr mit gutem Gewissen hingeben konnte, auch wenn die Beeren gelegentlich seine Genialität anfachten. Trotzdem hatte er seine Tochter jedes Mal, wenn sie an Land gingen, darum gebeten, nach den seltenen Kallabüschen und ihren kleinen, karmesinroten Beeren Ausschau zu halten. Und nun, da sie in seiner Hand lagen, wusste er, das er in seine Kajüte zurückkehren und sie in der langstieligen Pfeife
rauchen würde, die er dort aufbewahrte. Er lächelte seinen Enkel an. »Danke«, sagte er.
    Mal Li Tam erwiderte das Lächeln und verbeugte sich leicht. »Gern

Weitere Kostenlose Bücher