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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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gesehen, wie der Ring getragen wurde. »Für den Augenblick«, sagte er, »wird das genügen. « Er lächelte. »Wenn ich zurückkehre, werden wir eine richtige Zigeunerhochzeit feiern.«
    Sie nickte. »Wann wirst du gehen?«
    Rudolfo seufzte. »Morgen. Ich werde mir einen Trupp Zigeunerspäher nehmen und nach Caldusbucht aufbrechen. Ich habe schon eine Nachricht an Petronus geschickt. Er und Tam haben während des Krieges eng zusammengearbeitet. Vielleicht weiß er etwas.« Er dachte einen Augenblick nach. »Von dort aus werde ich ein Schiff nehmen.«
    Plötzlich wurde ihm das gewaltige Ausmaß der bevorstehenden Reise bewusst. Vollmachterklärungen mussten unterzeichnet und Zeugen für die Bekanntgabe der Heirat versammelt werden, um Jins Macht als Königin zu etablieren. Späher waren für die Reise auszusuchen und Kleider zu packen. Er war schon eine ganze Weile nicht mehr auf See gewesen – beim letzten Mal war er noch jung gewesen, mit Gregoric an seiner Seite. Er blickte wieder auf das bleiche Gesicht seines Sohnes hinab, auf die blassen, blauen Adern unter seiner Haut, und er wusste, dass ihn
nichts von dieser Aufgabe abhalten würde, dass er selbst den Mond versetzen würde, um das Leben seines Kindes zu retten.
    Rudolfo verlagerte sein Gewicht und reichte das Kind an Jin Li Tam zurück. »Ich sollte gehen. Es gibt noch viel zu tun.«
    Jin Li Tam wandte den Blick ab, aber er konnte erkennen, dass sie einen Wunsch hegte, einen, der ihr selbst töricht erschien. Bevor sie fragte, wurde sie rot. »Komm heute Nacht zu uns«, flüsterte sie. »Komm zu Jakob und mir. Es schickt sich nicht, dass Mann und Frau ihre erste Nacht getrennt voneinander verbringen, ganz gleich, wie die Umstände sein mögen.«
    Rudolfo nickte. Sobald er alles Erforderliche hinter sich gebracht hatte, damit Jins Stimme bei seinem Volk und in den Benannten Landen ebenso Gehör finden würde wie die seine, und sobald er mit den Vorbereitungen für eine Reise, auf die man sich überhaupt nicht vorbereiten konnte, fertig war, würde er kommen. Er würde sein Abendessen in ihrem Schlafzimmer einnehmen und an gekühltem Birnenwein nippen, während er seine Familie betrachtete.
    Meine Familie. Er hatte diese Worte nicht mehr benutzt, seit er ein Junge gewesen war. Er hatte sich viel zu lange als jemanden betrachtet, der keine Familie besaß, und dieser Gedanke ließ ihn nun innehalten. Ich habe eine Familie , dachte er, nicht nur meine Zigeunerspäher und mein Waldvolk. Heute Nacht würde er seine Seidenpantoffeln ausziehen, sich zu den beiden ins Bett legen und diesen Augenblick in seinem Gedächtnis verankern für die langen Tage, die vor ihm lagen.
    Dann, am Morgen, würde er mit seiner Suche nach Vlad Li Tam beginnen.
    Rudolfo erhob sich. »Ich werde bald zurück sein«, sagte er. Er beugte sich hinab und küsste Jin Li Tam, und er war überrascht, wie weich ihr Mund war und wie sehr sie sich nach ihm verzehrte. Er beugte sich noch weiter hinab und küsste seinen kleinen Sohn auf die klamme Stirn.

    Als Rudolfo sich aufrichtete, sah er in dem Ankleidespiegel, der in der Ecke des Zimmers stand, ihr aller Spiegelbild. Einen Augenblick lang glaubte er, er sähe seinen Vater, bis ihm klar wurde, dass er es selbst war.
    Er verließ eilig das Zimmer und rief seinen Gehilfen und Bediensteten, die sich unterwegs um ihn sammelten, Befehle zu. Aber er ging die Vorbereitungen durch, ohne mit dem Herzen dabei zu sein.
    Denn Rudolfos Herz war nicht mehr in ihm.
    Stattdessen lag es in Decken eingeschlagen und wurde in den Armen eines herrlichen Sonnenaufgangs gewiegt.

Kapitel 7
    Vlad Li Tam
    Vlad Li Tam stand an der Reling und beobachtete, wie die Sonne hinter dem Horizont verschwand. Unter ihm schnitt der eiserne Bug durch die Wellen, während sein Flaggschiff, die Glückliche Brise , nach Süden dampfte. Inzwischen waren sie seit zwei Tagen und zwei Nächten ununterbrochen unterwegs, und irgendwann morgen erwartete er das Treffen mit dem Schiff seines ersten Sohnes, um zu sehen, worauf auch immer dieser gestoßen war. Sie hatten keine weiteren Nachrichten erhalten, aber da sich ihr Standort ständig änderte, hatten sie auch nicht damit gerechnet, weitere Neuigkeiten zu erfahren.
    Sein Enkel kam leise hinter ihm herauf, doch Vlad Li Tam hörte seine gedämpften Schritte. »Guten Abend, Mal«, sagte er und wandte sich um, als der junge Mann näher kam.
    Mal Li Tam grinste. »Ich habe dich noch nie hereinlegen können. «
    Vlad Li Tam lächelte. »Nein,

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