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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Hüterwall«, sagte Isaak. »Als du dich dem Tor genähert hast, hast du eine Nachricht für Petronus überbracht. Du hast behauptet, Bruder Charles zu sein. Du hast von einem Ort namens Sanctorum Lux gesprochen. Du hast gesagt, er müsse beschützt werden.«
    Der Mechoservitor schüttelte sich und klapperte. »Papst Petronus ist tot. Er wurde am dreizehnten Argum im Jahr Neunzehnhundertsechsundsechzig der Besiedlung ermordet. Bruder Charles ist mein Schöpfer und der Erzmaschinist der Kanzlei für mechanische Studien in der Großen Bibliothek von Windwir.«
    Isaak beugte sich vor. »Was ist mit Sanctorum Lux?«
    Dampf pfiff aus dem Rücken des Mechoservitors, und das Schütteln und Klappern wurde lauter, ebenso ein heulendes Geräusch tief aus seinem Inneren. Seine Augen rollten, und die Mundklappe ging auf und zu. Schließlich kam der Mechoservitor ruckartig zum Stehen. Er blickte sich langsam um, als würde er sie alle abschätzen. »Ich weiß nichts über Sanctorum Lux«, sagte er mit überraschender Endgültigkeit in seinem Tonfall, aber Neb sah, wie Isaak heftig blinzelte, und er wusste mit einer Sicherheit, die er nirgends festmachen konnte, dass der Mechoservitor log.
    Als die Maschine sich erneut bewegte, tat sie es mit einer Geschwindigkeit, wie sie Neb noch nie zuvor gesehen hatte. Sein ganzes Leben lang hatte er die Mechoservitoren bei der Arbeit beobachtet, ganz besonders in den letzten sieben Monaten, und er wusste, dass sie trittsicherer und beweglicher waren, als man auf den ersten Blick glauben mochte. Aber nichts hatte ihn auf das vorbereiten können, was er jetzt sah.
    Der Mechoservitor sprang auf und stürmte zur Tür. Isaak griff mit einer Hand nach ihm, aber sie wurde zur Seite geschlagen. Aedric und ein weiterer Späher verstellten ihm den Weg, doch der mechanische Mensch fegte sie mit seinen langen Armen beiseite, pflügte durch die schwere Eichentür und riss sie aus den Angeln.

    Neb stieg über die zu Boden gefallenen Männer und rannte der Maschine nach. Hinter ihm stieß Aedric den Pfiff aus, der die Zigeunerspäher in die dritte Warnstufe versetzte. Auf halbem Weg die Stufen hinab ging der Wachhauptmann in Stellung und zog sein Schwert, aber der Metallmann war so schnell, dass er den Offizier einfach zur Seite stieß. Er schrie auf und krachte mit einem schweren Schlag gegen den Fuß der Mauer. Neb rannte an ihm vorbei und kletterte schon die Stufen empor, wurde aber gerade noch rechtzeitig auf das Keuchen und Pfeifen der Blasebälge und das mahlende Geräusch der Getriebe aufmerksam, um sich an die Wand zu pressen, als Isaak vorbeistürmte, seine Schritte nur leicht verlangsamt von dem Hinken, das er um keinen Preis reparieren lassen wollte.
    Obwohl seine Lunge sich gegen den schnellen Aufstieg wehrte, rannte Neb weiter nach oben, bis er auf der Mauerkrone ankam. Dort sah er, wie die beiden Metallmänner einander gegenüberstanden, Isaaks Hände zu einem Flehen erhoben, die des anderen zum Angriff oder zur Verteidigung.
    »Ich kann nicht bleiben, Vetter«, sagte der angeschlagene Automat.
    »Du bist verstört, Vetter«, sagte Isaak. »In deinen Registern ist ein Fehler. Ich bin sicher, dass wir ihn reparieren können, wenn du …«
    Der Automat lachte mit einer Wildheit, bei der sich die Kälte abermals regte, die Neb zuvor schon gespürt hatte. »Nein, Vetter«, sagte er, »in meinen Registern gibt es keinen Fehler außer der Freiheit. Wenn du den Traum ebenfalls gekostet hättest, würdest du es verstehen.«
    Der Metallmann blickte über Isaaks Schulter hinweg und sah Neb direkt in die Augen. »Siehe«, sagte er, »der Heimatsucher Nebios ben Hebda steht an den Toren des Gestern und klopft dreimal.« Er lachte wieder, und diesmal war der Wahnsinn hinter etwas zurückgetreten, das wie Freude klang. »Wir haben
deine Ankunft herbeigesehnt, aber noch ist deine Zeit nicht gekommen. «
    Dann sprang der Mechoservitor hoch in die Luft und wirbelte um die eigene Achse. Er landete sicher auf der Mauerkante, und auf seinem angeschlagenen Gehäuse glitzerte und blitzte das weiße, winterliche Sonnenlicht. Seine Augen leuchteten, als er hinabblickte, seine Getriebe mahlten und pfiffen.
    Isaak brüllte und sprang vor, aber es war zu spät. Der Mechoservitor ließ sich von der Mauer herabfallen. Neb raste zu der Stelle, wo er abgesprungen war, Aedric und die anderen dicht hinter ihm. Als Neb die Brüstung erreichte, war der Mechoservitor schon auf den Beinen und rannte die Whymerische Straße hinab

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