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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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zu Gesicht bekam, seit sie vor drei Tagen an Bord der Bundhai gegangen waren, obwohl er sowohl auf als auch unter Deck des Öfteren gehört hatte, wie er seinen Männern etwas zurief und deftig, aber gutgelaunt
fluchte. Sie waren sich auf jeden Fall mehrmals in den engen Gängen begegnet, und der Kapitän hatte ihn stets mit betonter Heiterkeit begrüßt, aber Merrique und seine Männer waren magifiziert geblieben, beinahe wie Späher im Krieg, flüchtige Schatten, die sich an einem vorbeidrängelten. Für Petronus war das nachvollziehbar – an Deck erforderte das magifizierte Ölzeug, das das Schiff verborgen hielt, eine ebenso unsichtbare Mannschaft. Und unter Deck konnten die Passagiere, die gelegentlich befördert wurden, ihre Gastgeber nicht so einfach identifizieren, sollten sie je von denen befragt werden, die Rafe Merriques selbsterwählter Berufung weniger wohlwollend gegenüberstanden.
    Nun lächelte der alte Pirat grimmig unter seinem graumelierten Bart und nahm am Tischende Platz. Er trug eine leuchtend grüne Kappe und ebensolche Hosen, die sich von einem kanariengelben Seidenhemd und einer violetten Schärpe abhoben. In einer seiner knorrigen Hände hielt er einen Papierfetzen. »Ich habe einen Vogel von unseren Freunden im Delta erhalten«, sagte er.
    Petronus machte ein finsteres Gesicht. »Wir sollten inzwischen angekommen sein.«
    Rafe bestätigte. »Wir sind schon seit einem Tag da. Wir warten nur auf den richtigen Augenblick.« Er nickte, als eines der Mädchen mit einem Eisenkessel mit Chai vortrat, und hob den dampfenden Becher, nachdem sie ihn gefüllt hatte. Ein weiteres Mädchen brachte eine Platte mit heißem, dunklem Brot und eine Holzschüssel, die, wie Petronus bei den vorherigen Mahlzeiten festgestellt hatte, Honig enthielt. Eines konnte er mit Sicherheit sagen: Ihr Gastgeber wusste, wie man Gäste versorgt. Seit er an Bord war, hatte man tellerweise gebratenes Schwein und Huhn aufgetragen, Schüsseln mit frischen, süßen Früchten und leicht gesalzenen Nüssen, Räder von hartem, würzigem Käse und Krüge mit kühlem Bier. Die Köche arbeiteten unermüdlich und servierten bis zu vier Mahlzeiten am Tag.

    Petronus griff nach einer dicken Scheibe Brot. »Wie lange werden wir noch warten?«, fragte er, während er sein Messer in die Butter bohrte.
    Rafe zuckte mit den Schultern. »Nicht lange. Aber angesichts der Umstände müssen wir vorsichtig sein.« Er schob die Nachricht über den Tisch.
    Petronus biss von seinem Brot ab, legte es hin, wischte sich die Hände an einer Stoffserviette ab und griff nach dem Blatt. Er überflog die Worte, und sein Magen rebellierte.
    Zu jedem der anderen hat mein Meister einen Trupp geschickt.
    Er las die Nachricht noch einmal langsam, und eiskaltes Grauen breitete sich in seinem Bauch aus. Erlund hielt sich versteckt, nachdem ein Doppelgänger in derselben Nacht getötet worden war, in der der Angriff auf Petronus stattgefunden hatte. Der Sumpfkönig und der Kronprinz von Turam waren beim Ehrenfest für Rudolfos Stammhalter ermordet worden. Der Erbe von Königin Meirov – ein Zehnjähriger – war in seinem Bett abgeschlachtet worden. Es gab noch weitere. Überall in den Benannten Landen waren die männlichen Erben, in einigen Fällen auch die unbedeutenderen Herrscher selbst, angegriffen worden, sogar in dem lockeren Zusammenschluss von Stadtstaaten entlang der Smaragdküsten und bei einigen der mächtigeren Häuser auf den Geteilten Inseln. Er gab die Nachricht an Grymlis weiter und sah, wie der alte Gardist erbleichte, während er sie las. Als er fertig war, reichte er sie an Rafe zurück.
    Petronus blickte auf das Brot hinab, von dem er nun wusste, dass er es nicht mehr essen würde. »Das sind die mächtigsten Familien der Benannten Lande.«
    »Aye«, sagte Rafe Merrique. »Es fehlen nur zwei.«
    Petronus dachte darüber nach. »Die Neun Häuser und das Haus Li Tam.«
    Rafe nickte. »In der Tat. Und der Finger deutet wieder auf Euren Freund Rudolfo.«

    Ja , dachte Petronus, unmittelbar nachdem die Benannten Lande gegen die Zigeunerspäher in den Krieg gezogen sind, weil sie irrtümlich angenommen hatten, Rudolfo habe Windwir vernichtet. Sethbert hatte Rudolfo die Sache angehängt, um den Nachteil, den der Verlust von Windwir für die entrolusische Wirtschaft bedeutete, auszugleichen, indem er sich Rudolfos rohstoffreiche Länder aneignete. Petronus’ Verstand drehte sich im Kreis, während er versuchte, die Gleichung zu lösen. Wenn die

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