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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Petronus wusste, dass sie es ernst nehmen mussten.
    Er blickte zur Tür. Dort standen zwei Männer, ein jeder mit einer Stoffkapuze, um das Gesicht zu verbergen. Sie waren gekleidet wie einfache Fischer, aber Petronus zweifelte nicht daran, dass sie Soldaten waren. Genauso wie er wusste, dass der Plan – obwohl er gerade gebeten wurde, sich freiwillig daran zu beteiligen – zu sorgfältig ausgearbeitet war, als dass Esarov ihm tatsächlich die Möglichkeit zugestehen würde, sich zu weigern. »Ihr
habt vor, mich gegen Charles auszutauschen. Was für eine Sicherheit habe ich, dass ich eine Verhandlung bekomme?«
    Und würde sie fairer sein als die Zirkusvorführung, die er für Sethbert aufgezogen hatte?
    Esarov nahm sich einen Apfel, biss hinein und kaute nachdenklich, ehe er etwas sagte. »Sie wird Teil der Waffenruhe sein, die wir aushandeln. Ich habe einen Mann in Lysias’ Umfeld. Der General ist immer noch ein vernünftiger Bursche. Wir werden außerdem sicherstellen, dass Ihr unter Hausarrest steht und man Euch gut behandelt, wie es Eurem vormaligen Amt angemessen ist.«
    Da habe ich ja eine schöne Zuflucht gefunden. Er würde in aller Öffentlichkeit vorgeführt werden. Er würde aus seiner Arbeit gerissen werden und unter durchgehender Bewachung stehen. Und wenn Esarov in irgendeinem Punkt seines Planes falschlag, würde Petronus sich vor einer Axt oder einem Henkersstrick wiederfinden.
    Er neigte den Kopf und musterte den Stoff seines Talars, der sich gerade wieder in der Wirklichkeit manifestierte, während die Magifizienten ein letztes Mal schwach aufflackerten. In der Nacht, in der er angegriffen worden war, hatte Petronus, in seiner Hütte von der Welt schon beinahe vergessen, eine Abrechnung erwartet.
    Nun wurde ihm klar, dass ihm diese Abrechnung tatsächlich bevorstand.
    Er blickte auf, dem jüngeren Mann in die Augen, und Esarov blinzelte hinter seinen Brillengläsern. »Ich werde es machen«, sagte Petronus.
    Und seine Stimme war dabei fest und stark.

Kapitel 11
    Rae Li Tam
    Rae Li Tam ging auf dem Strand auf und ab und rief Befehle, die wiederum an die verbliebenen Schiffe der Eisernen Armada ihres Vaters weitergeleitet wurden. Um sie herum huschten die Mitglieder ihrer Familie hin und her, unterstützt von den Eingeborenen, die ihnen nun durch die Bundschaft und als Gegenleistung für die Werkzeuge und Schmuckstücke, die den Besitzer gewechselt hatten, verpflichtet waren.
    Ihre Familie musste fort.
    Jetzt.
    Vor dem Eintreffen des Vogels heute Morgen hatten der Flotte lediglich drei Schiffe und das Flaggschiff gefehlt – jene drei, mit denen Vlad Li Tam sich hatte treffen wollen, und sein eigenes Schiff. Rae Li Tam war dem Protokoll gefolgt und hatte zwei weitere Schiffe hinterhergesandt, nachdem sie den Vogel mit der Seenotmeldung erhalten hatte, die sie darüber in Kenntnis setzte, dass ein Schiff auf ein Riff gelaufen war und Reparatur benötigte. Sie hatte außerdem zwei zusätzliche Maschinisten und einen großen Teil ihrer Ersatzteile mitgeschickt. Inzwischen wusste sie, dass beide Schiffe und ihre Mannschaften nicht zurückkehren würden.
    Sie zählte im Stillen alles zusammen. Über zweitausend verlorene Seelen, mochten die Götter wissen, wo sie sich jetzt befanden.

    Sie roch Verrat, konnte aber nicht herausfinden, durch wen. Durch jemanden innerhalb des Hauses, vielleicht den Ersten Sohn, obwohl das eine unerhörte Vorstellung war. Während all der Generationen hatte es im Haus Li Tam niemals eine Abspaltung gegeben. Dennoch schien die Nachricht echt zu sein, und sie konnte sie nicht ignorieren. Rae hielt sie nach wie vor in der Hand, und immer wieder blieb sie stehen, um sie noch einmal zu lesen.
    Windwir war eine List , stand in der verschlüsselten Nachricht. Wir sind von unseren eigenen Leuten verraten worden. Rette, was zu retten ist. Das Siegel und die Unterschrift waren nicht zu verkennen. Sie stammten von ihrem Vater, Vlad Li Tam. Aber der Botenvogel kam von einem der Schiffe, die sie erst kürzlich losgeschickt hatte. Seine Federn waren angesengt gewesen.
    Sie runzelte die Stirn und biss sich auf die Lippen. Eine List. Von den eigenen Leuten verraten. Sie ließ die Hand sinken und betrachtete noch einmal das aufgeregte Treiben um sich herum, wie die Langboote beladen wurden und eilig hinaus zu den großen Eisenschiffen ruderten, die ihren Dampf in den wolkenlosen Himmel bliesen. Die Maschinen arbeiteten bereits, und sie waren schon fast bei der letzten Ladung

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