Loch
Felsnase hervor. Sie bildete einen knapp eineinhalb Meter breiten Vorsprung. Gut drei Meter lang. Er führte nirgendwo hin und war von losen Steinen bedeckt, die durch die Erosion im Laufe der Jahre herabgefallen waren.
Doch er bot ihr eine Sache, die sie zu schätzen wusste.
Eine Zuflucht!
Ohne einen weiteren Blick zurück zu ihrem Verfolger zu riskieren (obwohl sie hörte, wie die Steine unter seinen Füßen klackten – er musste schon ganz nah sein), kletterte sie seitlich an der Wand entlang. Ihr ganzer Körper tat weh. Ihre Muskeln fühlten sich an, als stünden sie in Flammen. Sie hatte sich das Kinn aufgeschürft, weil sie sich so eng an den Fels drückte. Nachdem sie fünfzehn Sekunden wie eine menschliche Fliege über die Wand gekrochen war, hatte sie den Vorsprung erreicht. Fast waghalsig lehnte sie sich zur Seite, sodass sie mit den Händen die Kante fassen konnte, während ihre Füße noch in einer Felsspalte klemmten.
Es war schwierig. Ihr Körper war verdreht. Mit gestreckten Armen verlagerte sie ihr Gewicht auf die Handflächen, die flach auf der horizontalen Kante des Vorsprungs lagen. Dann, wie jemand, der aus dem Schwimmbecken kletterte, ohne die Leiter zu benutzen, wuchtete sie sich auf die Felsnase. Einen Augenblick später lag sie keuchend auf einer Matratze aus spitzen Steinen.
Verglichen mit einer echten Matratze war es unbequem. Doch in diesem Moment dachte die erschöpfte Pamela, es sei der schönste Platz auf der ganzen Welt, um sich auszuruhen.
Eine Stimme schrie von unten: »Pamela. Es gibt keinen Weg hier raus. Komm runter.«
»Auf keinen Fall.«
»Ich tu dir nichts.«
»Ja, klar, das glaub ich dir bestimmt, Norman.«
Sie bemerkte, dass ihre Beine von den Knien abwärts noch über der Kante hingen. Eine Kugel im Schienbein würde ihre Lage nicht gerade verbessern, also schlängelte sie sich nach vorn. Von dem Staub, den sie aufwirbelte, musste sie niesen. Doch als sie zurückblickte, sah sie, dass sie nun vollständig auf dem Vorsprung lag.
Nicht einmal eine großkalibrige Pistole wie die goldene, die Norman hatte, konnte ein Loch durch ein Meter dicken Sandstein schlagen.
»Pamela«, rief Norman. »Du kannst nirgendwo hin.«
»Ich komme nicht runter.«
»Ach, sei doch nicht so. Kletter runter. Wir können reden.«
Pamela erhob sich in eine sitzende Position, mit dem Rücken zur Felswand. Sie wagte nicht, über die Kante nach unten zu sehen, weil sie fürchtete, Norman könnte ihr in den Kopf schießen.
»Bitte, Pamela. Ich würde dir um nichts auf der Welt wehtun. Glaub mir.«
»Wenn du mir nichts tun willst, dann beweise es«, rief sie zurück. »Geh zurück nach unten zum Café.«
»Was? Und dich soll ich hierlassen?«
»Ja.«
»Du wirst die Polizei rufen.«
»Wie denn? Das nächste Telefon ist achtzig Kilometer entfernt.«
»Du könntest ein Handy haben.«
»Die funktionieren hier draußen nicht.«
»Pamela«, flehte er.
»Geh weg, dann komm ich runter.«
»Du weißt doch, dass ich das nicht tun kann.«
»Warum nicht?«
»Befehle. Du hast gesehen, wie Duke ist. Er wird mir ein zweites Loch in den Hintern schießen.«
»Norman. Geh weg. Ich komm nicht runter.«
»Dann komm ich hoch und hol dich.«
Ein Felsbrocken von der Größe eines Baseballs lag auf der Kante des Vorsprungs. Sie stieß ihn mit der Fußsohle nach unten.
Ein lauter Aufprall. Das Echo hallte durch die Schlucht.
Stille.
Großer Gott. Er hat ihn doch nicht getroffen, oder?
Dann ertönte eine beleidigte Stimme. »Hey, pass auf! Der hätte mich fast erwischt.«
»Wenn du versuchst, hier raufzuklettern, sorge ich dafür, dass der nächste dir den Schädel zertrümmert.«
»Das würdest du nicht tun.«
Pamela verschränkte die Arme. »Probier’s doch.«
»Verdammt«, hörte sie einen nachdenklicheren Norman murmeln. Ein paar Augenblicke lang senkte sich Stille über die Schlucht. Es wäre zu gefährlich, ihren Kopf zu entblößen, indem sie über die Kante blickte, doch wenn sie sich mit dem Rücken zur Wand hinkniete, könnte sie seinen Schatten über den Geröllboden kriechen sehen. Es würde jetzt zu einem Geduldsspiel werden.
Und wenn es dunkel wurde? Was würde Norman dann tun? Sich zurückziehen? Oder versuchen, sie im Schutz der Dunkelheit zu erreichen?
Schließlich hörte sie Norman sagen: »Sieht so aus, als hätten wir hier ein Dilemma.«
»Ich habe kein Dilemma«, erwiderte sie scharf. »Ich bleibe einfach, wo ich bin.«
»Du kannst nicht ewig da bleiben, ohne Wasser.
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