Locke greift an
einem modernen Staat. Was du gesagt hast und wie du dich verhalten hast - das ist schon sehr ehrverletzend.« Sie seufzte. »Natürlich weiß auch ich, dass du unter einem großen Druck gestanden hast. Das allein aber wird dir nicht weiterhelfen. Du musst versuchen, die Mentalität der Menschen aus der Türkei zu verstehen. Dann wird dir Matz sicher auch verzeihen.«
Poldi war in diesem Augenblick wach geworden und bellte zustimmend. Wenigstens musste Locke jetzt lächeln. »Meinst du?«, fragte er seine Mutter.
Sie nickte.
Doch es sollte anders kommen.
Am Montag in der Schule erlebte Locke eine böse Überraschung. Als er morgens den Klassenraum betrat, saß Matz nicht mehr an ihrem gemeinsamen Tisch. Sein Freund hatte den Platz geräumt und mit einem anderen Schüler getauscht. Locke sah Hilfe suchend zu Eva, die schräg vor ihm saß. Aber auch sie zuckte nur irritiert mit den Schultern.
Als die erste große Pause kam, in der die drei normalerweise immer zusammenstanden, hielt sich Matz demonstrativ
an einige andere Schüler auf dem Schulhof. Es waren ausschließlich türkische Jungs.
»Was soll ich bloß machen?«, fragte Locke sich laut. »Er ignoriert mich komplett. Kannst du nicht mal mit ihm reden?« Er sah Eva an.
Sie versprach, in der nächsten Pause den Kontakt zu Matz zu suchen. »Komischerweise spricht er auch nicht mehr mit mir«, fügte sie hinzu, »obwohl ich ja eigentlich nichts mit der ganzen Geschichte zu tun habe.«
In der zweiten Pause wiederholte sich das Spiel. Patrick und Eva standen auf der einen Seite des Schulhofs und Matz blieb fern von ihnen auf der anderen. Nun ging Eva wie versprochen quer über den ganzen Pausenhof zu ihm.
Matz begrüßte sie mit einem spöttischen Gesichtsausdruck.
»Schickt Locke dich? Musst jetzt du für den Herrn reden?«
»Lass doch den Quatsch«, erwiderte Eva. »Patrick ist selbst am meisten betroffen. Du weißt doch, wie es um seinen Hund stand und welche Angst er hatte.«
Aber Matz starrte sie fast feindselig an. »Deshalb verrät man nicht seinen besten Freund«, erwiderte er grimmig. »Bei meinen türkischen Leuten würde es so etwas nie geben.« Er machte eine wegwerfende Geste. »Für mich ist die Sache erledigt. Aus, vorbei, verstehst du?«
»Aber Matz …« Eva hob die Stimme. »Was soll denn dann aus der Band werden und aus Schalke 04?«
Matz schaute auf den Boden. »Die Band ist mir egal, aber natürlich spiele ich weiter bei Schalke«, knurrte er. »Und du glaubst nicht, wie gut es sich spielt, wenn man nicht mehr miteinander redet. Das kannst du deinem feinen Freund ruhig so sagen.«
Eva war entsetzt über das sture Verhalten von Matz, aber
sie versuchte es noch einmal. »Und das war dein letztes Wort?«
Matz antwortete jetzt nicht einmal mehr. Er drehte sich einfach um und sprach mit seinen türkischen Freunden weiter, als sei Eva Luft für ihn.
Patrick hatte aus der Ferne zugeschaut. An der Körperhaltung der beiden konnte er ablesen, dass die Unterredung alles andere als freundschaftlich verlaufen war.
Eva kam zurück zu ihm und sagte ganz traurig: »Locke, wir haben wohl ein echtes Problem mit Matz. Er hat dir noch einmal die Freundschaft gekündigt.« Sie räusperte sich. »Und in der Band will er auch nicht mehr spielen.«
6
U nd dabei blieb es. Zwar absolvierte Matz sein Programm bei Schalke wie immer, beim Doppelpasstraining harmonierte er sogar gut mit Patrick - ohne allerdings auch nur ein einziges Wort mit ihm zu sprechen. Die Spieler in der Mannschaft bemerkten fast nichts von der Auseinandersetzung der Freunde.
Patrick überlegte kurz, ob er Trainer Thölle etwas von den Problemen mit Matz erzählen sollte, dann entschied er sich jedoch dagegen.
So ging es in der nächsten Zeit weiter. Matz hielt sich komplett von Patrick und Eva fern. Und wie ebenfalls angekündigt war er bei den NEW KICKING DEVILS nicht mehr erschienen.
Pfarrer Kelter, dem Locke natürlich berichtet hatte, was geschehen war, übernahm bei den Proben das Instrument von Matz. Am schwarzen Brett in der Schule aber hatte Locke wohl oder übel einen großen Zettel angebracht:
DRINGEND! NEUES BANDMITGLIED (GITARRIST) FÜR DIE NEW KICKING DEVILS GESUCHT! INTERES-SENTEN MELDEN SICH HIER IN DER SCHULE BEI PATRICK ODER EVA!
ÜBRIGENS: WIR HABEN UNS FÜR DEN BAND-WETTBEWERB AM 3. NOVEMBER IN DER ESSENER GRUGAHALLE QUALIFIZIERT!!!
Einige Tage später stellte sich Ronny vor. Ein ruhiger Junge, der eine Klasse weiter war als Locke und Eva. Ben,
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