Lockende Flammen
Ihnen jetzt ganz gern näher erläutern, was ich von Ihnen erwarte.“
Er hatte sie beleidigt, verletzen konnte er sie nicht. Leonora schaute ihn unerschrocken an. Ihr war es egal, wenn er sie als sexuell drittklassig einstufte. Genau gesagt war sie mehr als erleichtert, dass seine Präferenzen nicht in dieser Richtung lagen.
Alessandro schob seinen Hemdsärmel zurück und schaute auf die Uhr. Warum hatte er das jetzt gesagt? Besonders nett war es jedenfalls nicht gewesen. Dabei hatte er doch gar keine Veranlassung, sich vor dieser unangenehm provozierenden Frau zu rechtfertigen, die normalerweise wirklich die Letzte gewesen wäre, die er sich als Begleitung ausgesucht hätte. Aber egal, was passiert war, war passiert.
Natürlich konnte er immer noch beschließen, allein zu der Feier zu gehen. Doch dieser trotzige Stolz, der ihn sein ganzes Leben lang angetrieben hatte, verlangte von ihm, die Herausforderung seines älteren Bruders anzunehmen. Und für diesen Zweck war Leonora Thaxton die perfekte Wahl.
Er taxierte sie gnadenlos und presste die Lippen zusammen. Zumindest das Rohmaterial war vorhanden – volles glänzendes Haar und ein wohlgeformtes Gesicht mit schöner Haut. Allerdings musste da noch eine ganze Menge abgeschliffen werden, damit sein Bruder nicht beim ersten Blick auf sie seine berühmt berüchtigte Augenbraue hochzog.
„Gut, gehen wir“, sagte er. „Mein Chauffeur hat eigentlich längst Feierabend und wird bestimmt zu Hause schon vermisst, und Pietro selbst wird Hunger haben. Da drüben steht mein Wagen.“
Was interessierte sie sein Chauffeur? Leonora ärgerte es, dass er sie zwang, ihm im Laufschritt zur Limousine zu folgen. Als sie dort anlangten, standen die hinteren Wagentüren bereits weit offen. Leonora stellte resigniert fest, dass sie sich die breite Rückbank mit Alessandro würde teilen müssen.
Nachdem sie neben ihm Platz genommen hatte, erklärte er: „Sie müssen Pietro Ihren Pass geben, damit er ihn am Ausgang beim Zoll vorlegen kann.“ Nach diesen Worten klappte er seinen Laptop auf und zog es vor, keine Notiz mehr von ihr zu nehmen. Ihren Pass gab er ihr nach erfolgter Vorlage nicht zurück, sondern ließ ihn ohne weitere Erklärung in der Innentasche seines Sakkos verschwinden.
3. KAPITEL
„Caterina wird Ihnen das Gästezimmer zeigen. Dann können Sie sich frisch machen, und nachher beim Abendessen erkläre ich Ihnen genau, was ich von Ihnen erwarte. Morgen nach dem Frühstück muss die Kleiderfrage geklärt werden, da wir am Nachmittag bereits fliegen.“
„Ich habe meine eigenen Sachen dabei.“ Leonora schaute betont auf ihren kleinen Übernachtungskoffer, den der Chauffeur im Eingangsbereich abgestellt hatte. Das elegante Apartment, in das Alessandro sie gebracht hatte, war Teil eines Palazzos aus dem 18. Jahrhundert.
Alessandro folgte ihrem Blick, dann musterte er sie unverhohlen von Kopf bis Fuß. „So, haben Sie das? Darf ich raten? Ich tippe auf Jeans und T-Shirt, richtig?“ Seine Stimme triefte vor Sarkasmus.
„Na und, spricht irgendetwas dagegen? Was ich anziehe, ist schließlich meine Sache.“
„Es würde die Angelegenheit wirklich entscheidend erleichtern, wenn Sie zur Kenntnis nehmen, dass Sie mich nicht in irgendeine flippige Disco begleiten sollen, sondern zur Neunhundertjahrfeier anlässlich der Titelverleihung an meine Familie. Dafür brauchen Sie angemessene Kleidung, und das bedeutet, dass ich Ihnen morgen eine persönliche Stilberaterin zur Seite stelle, die Sie bei der Auswahl Ihrer Garderobe beraten wird.“
Leonora war so fasziniert von den Gesten, mit denen er seine Worte unterstrich, dass sie nicht schaffte, ihren Blick von seinen Händen loszureißen. Die Hände waren braungebrannt und wirkten sehr männlich, obwohl sie lang und schmal waren, mit sorgfältig manikürten Fingernägeln.
„Morgen Abend nehmen wir an einem Cocktailempfang teil. Am Samstag findet ein offizielles Mittagessen statt und am Abend ein Maskenball. Und zum Abschluss der Feierlichkeiten gibt es am Sonntag einen Gottesdienst in der Hauskapelle.“
Cocktailparty, offizielles Mittagessen, Maskenball … jeder einzelne Punkt, den Alessandro der Liste hinzufügte, verstärkte Leonoras Unbehagen. Sie brauchte in ihrer Erinnerung nicht allzu tief zu graben, um sich an ihren ersten und letzten Versuch, „richtig glamourös“ auszusehen, zu erinnern. Noch heute hatte sie das brüllende Lachen im Ohr, mit dem ihre Brüder das Abendkleid kommentiert hatten, das sie
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