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Lockende Versuchung

Lockende Versuchung

Titel: Lockende Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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an den kühlen Empfang anlässlich des Händelkonzertes denken musste.
    „Nun, dann haltet endlich still und lasst mich machen.“ Gwenyth nahm die Bürste wieder zur Hand und bearbeitete das Haar ihrer Herrin so energisch, dass sie beinahe einen rachsüchtigen Eindruck machte.
    Während das Mädchen zwei dicke Zöpfe flocht, ließ Julianna die vergangenen Wochen noch einmal in Gedanken vorüberziehen. Mit jedem Tag war sie mehr dem Zauber von Abbot’s Leigh verfallen. Vom Keller bis zum Dachboden hatte sie das Gebäude durchforscht und immer wieder etwas Neues, Reizvolles entdeckt, sei es ein halb verborgener Sitz in einer Fensternische an der Hintertreppe, ein schmaler, durch ein bewachsenes Spalier wie ein Tunnel wirkender Fußweg oder ein altertümlicher Brunnen in einer schattigen Ecke neben der Spülküche.
    Getreu seinem Versprechen hatte Sir Edmund sie auch vermittels der Porträts in der Ahnengalerie mit seinen Vorfahren bekannt gemacht. Bei kühlem oder feuchtem Wetter waren sie im Haus geblieben und hatten sich die Zeit mit Geschichten aus der Vergangenheit oder auch mit Vorlesen und Schachspielen vertrieben.
    An sonnigen Tagen aber verbrachten sie viele Stunden in einer Laube, die sich direkt an den großen Salon anschloss. Diese gemütliche Ecke war wie ein Nest umgeben von blühenden Apfel- und Kirschbäumen und unzähligen Blumen in allen erdenklichen Farben. Die Laube war der besondere Stolz von Nelson Tully, einem grauhaarigen, wortkargen Mann. Unter seiner Anleitung versuchte sich Julianna auch an der Gartenarbeit und genoss dabei den Geruch der frisch bearbeiteten Erde.
    Wie Mr Brock vorausgesagt und Julianna gehofft hatte, wirkte die geruhsame Atmosphäre in Abbot’s Leigh Wunder bei Sir Edmund. Anfangs hatte er noch den Stuhl seiner Großmutter benutzt. Doch bald fand er es lästig, damit die Türschwellen zu überqueren, und so ließ er ihn bald wieder stehen und verlegte sich wieder aufs Laufen. Die würzige Landluft hatte auch seinen Appetit zurückgebracht und schenkte ihm zudem einen tiefen, erholsamen Schlaf.
    Hier in Abbot’s Leigh wurden auch die Widersprüche in Sir Edmunds Wesen und ihre Wurzeln für Julianna deutlich erkennbar: der Stolz und die gelehrtenhafte Zurückgezogenheit der Fitzhugh im Widerstreit mit der Abenteuerlust der Bayards. Jetzt erschien ihr Sir Edmund als der interessanteste Mann, der ihr je begegnet und ihrer Mühe, seine Freundschaft zu erlangen, wohl wert war.
    Als Gwenyth verkündete, nun endlich fertig zu sein, musterte Julianna kritisch ihr Aussehen. Die Zöpfe waren sittsam am Hinterkopf aufgesteckt, während die Schläfen von je zwei Ringellöckchen reizvoll umrahmt wurden. Zufrieden nickte Julianna ihrem Spiegelbild zu. Auchdas Kleid, das sie nach langem Suchen ausgewählt hatte, stand ihr gut und passte ausgezeichnet zu dem vorgesehenen Anlass. Völlig einverstanden mit ihrem Aussehen, raffte Julianna die Röcke, winkte Gwenyth zum Abschied fröhlich zu und machte sich vergnügt tänzelnd auf den Weg.
    Sir Edmund lenkte einen zweirädrigen, von einem kräftigen schwarzen Pony gezogenen Wagen durch den Hof und warf dabei einen ärgerlichen Blick zu Juliannas Fenstern empor. Wozu, in drei Teufels Namen, brauchte sie soviel Zeit zum Anziehen? Hoffentlich wollte sie nicht allzu sehr Staat machen. Die Leute auf dem Lande schätzten das nicht besonders.
    Widerwillig gestand er sich ein, dass ihm an ihrem heutigen Auftritt sehr viel lag, denn die Meinung seiner langjährigen Nachbarn in Marlwood war ihm viel wichtiger als die der hochnäsigen Londoner Gesellschaft. Charlie Warbeck zum Beispiel hatte ihm seit Jahren damit in den Ohren gelegen, doch endlich wieder eine Braut nach Abbot’s Leigh heimzuführen. Was würde er jetzt zu seiner blutjungen Gemahlin sagen?
    Tief atmete Sir Edmund die frische Frühlingsluft ein, die ihm neue Lebenskraft geschenkt hatte. Jeden Morgen erwachte er jetzt mit einem Gefühl freudiger Erwartung, das er seit undenklichen Zeiten nicht mehr gespürt hatte. Aber es war wohl vor allem auch Juliannas Gegenwart, die ihn auf wunderbare Weise wiederbelebt hatte. Seine liebreizende junge Gemahlin erfüllte sein bisheriges ruhiges, schwermutvolles Dasein tagtäglich mit Farbe, Duft und Musik, und er liebte sie deshalb – natürlich in allen Ehren, so wie er Alice oder Crispin geliebt hatte. Zumindest redete er sich das ein.
    Mitten in seine Überlegungen hinein ertönte das Knarren der schweren Eingangstür, und Julianna erschien, so

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