Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lockende Versuchung

Lockende Versuchung

Titel: Lockende Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
Vom Netzwerk:
bin, und auch Crispin nicht.“
    „Was war sie für ein Mensch? Erzählt mir von ihr“, forderte Julianna.
    Sir Edmund blickte an ihr vorbei, irgendwohin in das Weidengeäst, als schaue er in seine Vergangenheit. „Meine erste Ehe war sehr kurz und nicht besonders glücklich“, sagte er versonnen. „Mein Vater hatte sie arrangiert, bevor ich nach Indien ging, denn er wollte einen jungen Mann nicht der Versuchung durch heidnische Frauen am anderen Ende der Welt aussetzen. Ich habe nie recht begriffen, warum ich seinen Wünschen nachkam.“ Erneut schwieg er eine Weile und erklärte dann: „Wir passten überhaupt nicht zusammen, und ich war auch kein guter Ehemann – zu belesen, zu einsiedlerisch in meinen Gewohnheiten, zu sehr an allem Neuen und Fremdartigen interessiert. Das schlimmste für sie aber war wohl mein zu offenes, manchmal sogar barsches Wesen.“ Gleichgültig hob er die Schulter. „Darüber hinaus gibt es nicht viel zu berichten. Ein paar Monate nachdem wir in Indien angekommen waren, wurde Amelia von einerdort ausgebrochenen Seuche dahingerafft. Meine Trauer war, ehrlich gesagt, nicht übermäßig tief. Danach hatte ich weder Lust noch Gelegenheit, weitere Erfahrungen in Sachen Ehe zu sammeln. Aber ich glaube auch nicht, dass das ein Verlust für die Weiblichkeit war.“
    „Welch ein Unsinn!“, rief Julianna empört. „Ihr seid ein ausgezeichneter Ehemann! Jede Frau würde …“ Sie stockte. Lieber Himmel, beinahe hätte sie behauptet, jede Frau müsse glücklich sein, ihn zum Manne zu bekommen! Gestern noch hätte ihr dieses Geständnis nichts ausgemacht. Aber heute …
    „Ich meine“, stotterte sie verlegen, „Ihr seid in gewisser Weise ganz erträglich.“
    „Und ich bezweifle, dass Amelia dem zugestimmt hätte.“
    Wieder herrschte eine Zeit lang Schweigen. Sir Edmund schien in Gedanken immer noch in der Vergangenheit zu weilen. Julianna hingegen beschäftigte sich um so mehr mit der Gegenwart, ohne dabei zu wagen, die plötzliche körperliche Anziehungskraft ihres rechtmäßig angetrauten Gatten näher zu untersuchen. Sir Edmund war doch in erster Linie ein guter und treuer Freund, auch wenn sie seinen Namen trug. Warum nur hatte sie dann die Mitteilung, dass ihm seine erste Frau nicht viel bedeutet hatte, so befriedigt?
    Unvermittelt riss Sir Edmund sie aus ihren Überlegungen. „Genug jetzt mit dem Grillenfangen. Ich bin am Verhungern, und im Hause wird große Aufregung wegen unserer Abwesenheit herrschen. Ziehe dich an. Wir gehen.“
    Allmächtiger! Julianna sprang auf wie eine getretene Katze. Vor lauter Begeisterung über den Anblick von Sir Edmunds unbekleidetem Oberkörper hatte sie ihren eigenen unschicklichen Aufzug völlig vergessen. Hals über Kopf rannte sie hinter eine dichte Trauerweide und zog sich mit brennenden Wangen ihre feuchten Kleider über.
    Lachend rief Sir Edmund ihr nach: „Wenn du so nach Hause kommst, wird in spätestens einer Stunde die ganze Grafschaft wissen, dass Sir Edmund ein Stelldichein im Walde mit seiner jungen Frau hatte. Ein solch schmeichelhafter, wenn auch unverdienter Ruf muss mich ja gänzlich unerträglich machen.“
    Julianna ahnte, dass dieser Spott mehr an ihn selbst gerichtet war, denn an sie. Nichtsdestoweniger traf er auch ihre eigenen ungehörigen Wünsche. Doch sie war viel zu verwirrt, um Sir Edmunds Hieb geschickt zu parieren. So steckte sie nur den Kopf durch die Zweige, warf ihm den Kranz zu und sagte ziemlich schwunglos: „Ach, schert Euch doch fort!“

14. KAPITEL
    Mordecai Brock und Mrs Tully steckten die Köpfe zusammen, als ihre Herrschaft feucht und sehr leicht bekleidet nach Abbot’s Leigh zurückkehrte. Sir Edmund übersah weder das humorvolle Heben der Brauen bei seinem Haushofmeister noch das verstehende Grinsen bei seiner Haushälterin, quittierte beides aber nur mit einem kurzen Nicken.
    „Ich sehe dich nachher beim Frühstück“, murmelte er, ohne Julianna anzusehen, und wollte sich in Richtung seines Schlafzimmers entfernen, als Mr Brock ihn mit einem nachdrücklichen Räuspern zurückhielt. Mit einer leichten Verneigung hielt ihm der Haushofmeister ein versiegeltes Schreiben hin, das er einer Silberschale entnommen hatte.
    „Dieser Brief wurde gestern Abend abgegeben, Sir Edmund, als Ihr Euch bereits zurückgezogen hattet.“
    Sir Edmund nahm wortlos das feine Büttenpapier entgegen und bedeutete Julianna mit einem Kopfnicken, ihm zu folgen. In seinem Zimmer überflog er rasch den Inhalt des Schreibens

Weitere Kostenlose Bücher