Lockende Versuchung
können.“ Mit einem vorwurfsvollen Ton wandte sie sich wieder an Edmund. „Es hat mir fast das Herz gebrochen, dass du uns nicht zu deiner Hochzeitsfeier eingeladen hast.“
„Unsere Trauung war eine sehr bescheidene und stille Angelegenheit“, erwiderte Edmund, „denn Juliannas Vater war erst kurz zuvor verstorben.“
„Ich habe Euern Vater einmal kennengelernt, Julianna“, mischte sich jetzt Lord Marlwood ein. Seine Stimme war angenehm, aber nicht so warm und voll wie die Crispins – oder Edmunds. „Ich war mit Crispin bei Lloyd’s und traf dort Francis Underhill mit Euerm Vater. Ich glaube, er beabsichtigte, eine nicht unbeträchtliche Summe in Crispins Expedition zu investieren. Ihr seid vor seiner Abreise sicher des Öfteren mit ihm zusammengekommen, nicht wahr?“
Julianna warf Edmund einen Hilfe suchenden Blick zu. War es wohl angetan, den Verwandten gegenüber die wahre Natur ihrer Ehe zu enthüllen? Doch Edmund schüttelte kaum merklich, aber dennoch entschieden den Kopf und erwiderte an ihrer Statt: „Ja, und es war auch Crispin, der mich mit Julianna zusammenführte. Meine Werbung geschah dann wegen des plötzlichen Todes von Mr Ramsay allerdings etwas überstürzt.“ Er nahm Juliannas Arm und fügte mit einer Herzlichkeit hinzu, die für ihre Ohren ein wenig gezwungen klang: „Wir konnten uns erst nach der Hochzeit richtig kennenlernen. Aber so geht es ja vielen Ehepaaren, und ich empfand es gar nicht als unangenehm. Allerdings fürchte ich, dass meine lange Krankheit in diesem Winter Julianna dazu veranlasst haben könnte, ihr Traugelöbnis einer nochmaligen Überlegung zu unterziehen.“
In diesem Augenblick verkündete ein Lakai, dass die Speisen aufgetragen werden könnten. Laurence reichte Julianna den Arm, während sich Vanessa zu Edmund gesellte und die Unterhaltung mit den Worten fortsetzte: „Ach ja, das grässliche Fieber! Wir haben überall nachgefragt, als wir davon hörten, denn dein unmöglicher Haushofmeister ließ uns ja nicht über die Schwelle. Schließlich erfuhren wir, dass ihr nach Surrey abgereist seid. Arme Julianna, wie müsst Ihr gelitten haben!“ Obwohl ihre Stimme gefühlvoll und ergriffen klang, ließ sich doch unschwer erkennen, dass die Countess überzeugt war, die junge Frau habe sich überhaupt keine Sorgen gemacht. „Ihr müsst uns unbedingt die ganze schreckliche Geschichte erzählen.“
Während der Suppe gab Julianna dann wunschgemäß einen Bericht über den Verlauf von Edmunds Krankheit, wobei sie ihren Anteil an seiner Genesung nur beiläufig erwähnte. Edmund jedoch unterbrach sie immer wieder mit der Beschreibung ihrer opferbereiten und geschickten Pflege. Als sie schließlich geendet hatte, schüttelte Vanessa den Kopf.
„Wenn man bedenkt, wie nahe wir daran waren, dich zu verlieren, Edmund! Welch ein Glück, dass deine Gemahlin einen so kühlen, überlegten Kopf auf den jungen Schultern trägt! Ich hatte ja keine Ahnung, dass Ihr so überaus vollkommen seid, mein liebes Kind.“ Die Countess blickte Julianna herablassend an und wandte sich dann sofort wieder an Edmund. „Du kannst dir ja vorstellen, was es für ein Gerede gab, als deine Heirat bekannt wurde.“ Ihr Lachen klang wie das Trillern eines Vogels. „Aber ich habe damals schon gesagt: Wenn Edmund sich ein halbes Kind zur Frau nimmt, wird es bestimmt nicht irgendein unreifes Ding sein, sondern eine feine und verständige junge Dame. Im übrigen werden ja Kinder heutzutage sehr schnell erwachsen.“
Obwohl sich Julianna eingestehen musste, dass sie für dieses, wenn auch etwas fragwürdige, Kompliment der Countess dankbar sein sollte, verdross sie doch andererseits deren ständige Betonung ihrer Jugend außerordentlich. So beschränkte sie sich darauf, ausdruckslos zu lächeln, und atmete erleichtert auf, als Vanessa das Wort wieder an Edmund richtete.
„Wenn man den Gerüchten Glauben schenken wollte, hätte man einen altersschwachen, hinfälligen Menschen erwarten müssen und nicht einen kraftvollen Mann in den besten Jahren,mein lieber Edmund.“ Bedauernd schüttelte sie den Kopf. „Wenn du dich nur endlich entschließen könntest, der Mode entsprechend eine elegante Perücke zu tragen. Dann würde dich niemand älter als zweiunddreißig schätzen.“
Du lieber Himmel, stöhnte Julianna insgeheim, die Countess scheint von dem Thema Alter nicht ablassen zu wollen.
„Nun, ich verteidige jede Frau, die einen älteren Mann ehelicht“, fuhr Vanessa mit Nachdruck fort.
Weitere Kostenlose Bücher