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Lockende Versuchung

Lockende Versuchung

Titel: Lockende Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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Frau geworden, die du heute kennengelernt hast – schön, charmant und unterhaltsam, aber leer und oberflächlich.“
    Julianna suchte vergebens nach einer Antwort, denn durch diese Eröffnung war das Bild, das sie sich von der Countess gemacht hatte, völlig gewandelt worden. Wenn sie früher von diesen harten Schicksalsschlägen gewusst hätte, wäre sie wohl nachsichtiger gewesen und hätte in Vanessa nicht nur eine zungenfertige, skrupellose Person gesehen.
    Das offene Gespräch jedoch hatte zur beiderseitigen Erleichterung die Wogen wieder geglättet, sodass sich Edmund und Julianna nun wieder ihrem inzwischen allerdings kalt gewordenen Frühstück zuwandten. Während Julianna lustlos in ihrem Haferbrei herumstocherte, erschien plötzlich ein spöttisches Lächeln auf ihren Lippen.
    „Was amüsiert dich denn an Mrs Tullys Hafergrütze so?“, erkundigte sich Edmund neugierig.
    „Ach“, erwiderte Julianna lachend, „ich stellte mir das Gesicht von Laurence vor, als du ihn geschüttelt hast wie eine Bulldogge eine Ratte in ihrem Maul.“
    Edmund stimmte in ihr Lachen, wenn auch etwas schuldbewusst, ein, und damit schien ihre Zwistigkeit zumindest nach außen hin aus der Welt geschafft zu sein. Dennoch fragte sich Julianna kummervoll, ob sie wohl jemals wieder mit Edmund unbefangen fröhlich sein könnte, nun da ihr Herz mit im Spiele war.

18. KAPITEL
    Voller Trauer über den Abschied von Abbot’s Leigh presste Julianna die Nase an das Fenster der Kutsche, um einen letzten Blick auf das lieb gewordene alte Haus zu werfen. Obwohl sie im nächsten Frühjahr wieder nach Surrey ziehen wollten, schmerzte es doch, von den frohen Sommertagen Abschied nehmen zu müssen. Aber es war wohl nicht nur der herbstlichen Kühle wegen besser, nach London zurückzukehren. In Fitzhugh House würde sie sicherlich mehr Möglichkeiten haben, Edmund aus dem Wege zu gehen, wie sie es in den letzten Sommerwochen mit nur geringem Erfolg versucht hatte.
    Um Arabella Trowbridge noch mehr von ihren Pflichten abzunehmen, hatte Julianna viele Stunden in der Küche verbracht, um Sülze, Apfelbutter und andere Leckerbissen herzustellen, und Mrs Tully fand dabei keinen Anlass, sie erneut wegen ihrer Unaufmerksamkeit zu tadeln. Am Nachmittag machte Julianna dann immer häufiger allein die Runde durch die Gemeinde, um ihre Gaben an die Bedürftigen zu verteilen. Des Abends lud sie des Öfteren Gäste ein oder bat zumindest Mr Brock oder die Tullys zur Gesellschaft in den großen Salon, und als es darum ging, ein neues Theaterstück zum Vorlesen mit verteilten Rollen auszuwählen, hatte sie rasch das ganz und gar unromantische Drama „Macbeth“ vom Shakespeare vorgeschlagen.
    Lediglich zweimal hatte sich Julianna eine Befreiung von ihrem selbst auferlegten Leiden gegönnt, und zwar beim Ernteball und beim Michaelisjahrmarkt in Farnham. Der letztere war ein Tag von außergewöhnlicher Fröhlichkeit gewesen. Eifrig wie Kinder waren Gwenyth und sie von Bude zu Bude geeilt, gefolgt von Edmund und Mr Brock mit der Miene nachsichtiger, aber auch etwas überforderter Väter. Es gab ein breites Angebot an Waren aller Art und zudem viele Leckereien. Unterhaltung boten vor allem ein Wettrennen und pantomimische Tänze sowie als besondere Attraktion eine Wahrsagerin. Am späten Nachmittag hatte Julianna der Zigeunerin eine Münze auf den Teller gelegt und ihr dann die rechte Hand hingestreckt.
    „Ihr seid musikalisch, Missus, spielt die Laute … oder die Harfe.“ Die Alte tippte mit ihrem nicht sehr sauberen Zeigefinger auf Juliannas Handfläche. „Ihr könnt auch lesen und schreiben, seid gelehrt.“
    Verwundert schüttelte Julianna den Kopf. Zwar spielten viele Frauen irgendein Instrument, aber eine Harfe war doch sehr selten darunter. Und gelehrt? Wie kam die Zigeunerin darauf? Doch dann entdeckte sie einen winzigen Tintenfleck am Mittelfinger und die von den Saiten der Harfe herrührenden Schwielen an den Fingerspitzen und lächelte verständnisvoll.
    „Euer Apollohügel … sehr hoch. Bedeutet Reichtum.“
    Julianna überlegte einen Augenblick, bis sie auch für diese hellseherische Feststellung eine Erklärung fand: Ihr schwerer goldener Ehering verriet Wohlstand.
    „Seht diese Linie?“, fuhr die alte Zigeunerin fort. „Bedeutet langes Leben. Und diese Zeichen hier Kinder … eins, zwei, drei. Euer Venusberg ist sehr ausgeprägt … Ihr liebt zu sehr. Bringt Freude, bringt auch viel Sorge. Und hier kreuzt Schicksalslinie die Herzlinie.

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