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Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?

Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?

Titel: Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Essling
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auch bei meinen Eltern und Inge nicht. Wir haben also in seinen Augen die Berechtigung, hier zu wohnen. Zwar ist er fast immer im Zwinger eingesperrt, aber wenn Mama die Hühner füttert, flutscht er meistens in Windeseile hinaus.
    Ich kenne in ganz Kattenbach keinen Hund, vor dem die Leute so Angst haben, wie vor unserem Hahn. Wenn Paul oder andere zum Spielen zu mir kommen, muss ich immer erst mein Ehrenwort geben, dass der Gockel hinter Schloss und Riegel ist.
    Sogar der Hund von Kochs zieht den Schwanz ein und rennt weg, wenn er unseren Hühnerhauptmann nur hört. Und das, obwohl der Dackel neulich selbst ein Huhn ermordet und halb gefressen hat. Es war keines von unseren Hühnern, sondern eins von Mühlbauers. Ich habe es selbst gesehen.
    Frau Mühlbauer ist dann mit dem halb gefressenen Huhn zu Frau Koch in die Siedlung gewatschelt. Sie hat mit vielen Worten und viel Spucke Ersatz verlangt. Es war sehr spannend, weil Frau Mühlbauer das ganze Huhn ersetzt haben wollte. Frau Koch meinte aber, das halbe Huhn könne sie ja noch essen. Da haben sie hin und her gezetert. Wir Kinder haben schon Wetten abgeschlossen. Da kam Herr Koch vor die Haustür und drückte Frau Mühlbauer zehn Mark in die Hand. Die schnappte nach Luft, packte das Geld und das halb gefressene Huhn und ging heim.
    Frau Koch schimpfte jetzt mit ihrem Mann wegen des schönen Geldes. Aber Herr Koch sagte nur, soviel sei ihm seine Ruhe wert. Außerdem hätte er noch nie das Vergnügen gehabt, Frau Mühlbauer einmal sprachlos zu erleben.
     
    Unser Hahn wurde am Samstag geschlachtet. Das macht immer Herr Mühlbauer, weil mein Vater so was nicht fertigbringt.
    Herr Mühlbauer ist klein und drahtig und hat starke Arme. Er ist immer lustig und singt viel. Mama meint, das käme vom Bier. Er hat dem Hahn mit einem Hieb den Kopf abgehackt.
    Der Kopf war weg, aber das Tier flog vom Hackklotz und rannte im Hof rum. Alle sind abgehauen, genau wie früher, als der Hahn noch seinen Kopf auf dem Hals hatte.
    Später wurde er doch noch unser Sonntagsbraten. Er hat nicht besonders gut geschmeckt, weil er dünn und zäh war. So hat er sich also noch nach seinem Ende gerächt.
     
    Jetzt haben wir drei neue Hähne. Das waren zusammen mit den jungen Hühnern ganz süße, gelbflauschige Küken, die wir in der Küche hatten. Sie hatten eine Holzkiste und bekamen hart gekochte, klein gehackte Eier zu fressen.
    Ein Hahn soll großgezogen, die beiden anderen sollen gegessen werden. Das will ich aber nicht.
    Der eine bunte Hahn hat, als er noch kleiner war, epileptische Anfälle bekommen und jeder sagte: „Der geht ein!“ Da habe ich etwas getan.
    Auf dem Rasen bleichte mal keine Wäsche. Da habe ich eine Decke ausgebreitet, mir ein Buch geholt, ein Untertellerchen mit Wasser und ein Schälchen mit Hühnerfutter. Dann habe ich eine schöne warme Kuhle in die Decke gemacht und das Hähnchen hineingesetzt. Ich habe es den ganzen Tag über zusammen mit der Sonne gewärmt, es gestreichelt und ihm gut zugeredet.
    Am nächsten Tag hat es keine epileptischen Anfälle mehr bekommen und es wuchs und wurde ein hübscher kleiner Hahn. Ich hatte ihn besonders gern und habe ihn Retti genannt, weil ich ihn ja gerettet habe. Seinen bunten Bruder nannte ich Halbretti und den halb weißen, halb grauen Hahn Halbweißi. Ausgerechnet Halbweißi soll großgezogen werden, nur weil er meiner Mutter so gut gefällt.
    Als der Tag kam, an dem meine Hähnchen geschlachtet werden sollten, versteckte ich sie. An unserer Hauswand standen zwei große schwere Holzkisten mit so komischem Baumaterial drin. Sie waren oben verschlossen und viel zu schwer zum Hochheben. Also nahm ich einen Löffel und grub von unten ein Loch. Dann setzte ich die Tiere hinein und versorgte sie mit Futter und Wasser. Meine Grabungen tarnte ich mit Steinen, die überhaupt nicht auffielen.
    Als mein Vater nach Hause kam, suchte er die beiden Hähne und fand sie nicht. Sofort wurde ich verdächtigt, etwas mit dem Verschwinden des Sonntagsbratens zu tun zu haben.
    Ich verriet nichts. Als Papa wütend wurde, flüchtete ich. Er hinter mir her. So ging`s durch den ganzen Ort. Er wurde allerdings manchmal aufgehalten, weil die Leute wissen wollten, was ich angestellt hätte. Ich fand aber, dass ich wirklich nichts angestellt habe und das sagte ich auch. Barbaras Vater, der ihr so ähnlich ist, war freundlich zu mir und sagte, ich solle doch vernünftig sein. „Die Hühner sind nützlich, weil sie Eier legen, Hähne aber nicht. Ein

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