Lockruf der Finsternis
wuchsen Weinranken, die sich um seine Arme wanden. Er kämpfte, so gut er konnte, aber schließlich zerrten ihn die Ranken hoch und hielten ihn an Ort und Stelle fest.
Xypher fluchte frustriert, legte den Kopf zurück und spannte sich an, und im nächsten Moment schlugen ihn die beiden Skelette mit ihren Peitschen. Er versuchte, nach ihnen zu treten, aber er schaffte es nicht.
Schließlich hob er den Kopf und starrte Kat an. »Wenn ich dir helfen soll, dann hol mich hier raus.«
»Das kann ich nicht.«
»Dann weiß ich nichts.« Er zischte, als sie erneut die Peitschen auf ihn niedersausen ließen.
Kat wandte sich ab. Ihr war übel von dem, was sich hier abspielte. Xypher hatte recht: So konnte sie ihn nicht verlassen. Es war mehr als grausam. Sie wusste nicht, was er sich hatte zuschulden kommen lassen, aber es rechtfertigte eine solche Misshandlung sicher nicht.
Nun gut, sie konnte das Beste hoffen und versuchen zu verhandeln. »Hades?«
Der Gott der Unterwelt erschien vor ihr. Hades war groß und schlank und sah umwerfend gut aus. Sein schwarzes Haar lockte sich kleidsam um seine Schultern, und er betrachtete Kat mit amüsiertem Glitzern in den Augen. »Du schon wieder? Hast du nichts Besseres zu tun, als meine Geduld auf die Probe zu stellen?«
Sie runzelte die Stirn. »Wir haben uns mehr als ein Jahrzehnt nicht gesehen.«
»Ach wirklich? Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen. Nun gut.« Er trat an ihr vorbei auf die Skelette zu und verzog das Gesicht. »Ihr schlagt ja zu wie Mädchen. Ihr müsst härter zuschlagen! Verdammt, sogar meine Frau könnte das besser als ihr.«
Kat zuckte zusammen, als die Skelette schneller und härter auf Xypher einprügelten. »Könntest du bitte damit aufhören?«
Hades spottete. »Er wird bestraft. Du bist hier im Tartarus! Erinnerst du dich, wozu dieser Teil der Unterwelt dient? Hier ist es nicht gerade schön und gemütlich.«
»Er muss mir einen Gefallen tun, und das wird er nicht, solange du ihn schlagen lässt.«
Hades sah nicht gerade erfreut aus. »Was für einen Gefallen kann dir so einer wie der wohl tun?«
»Ich brauche Informationen über einen Traum.«
»Hol sie dir von einem anderen Oneroi.«
»Das habe ich versucht, aber sie haben mich zu Xypher geschickt. Sie sagten, er wäre der Einzige, der mir helfen könnte.«
»Dann bist du aber arm dran.«
»Nein, Hades«, sagte sie mit fester Stimme, denn sie wollte ihm erklären, was dabei auf dem Spiel stand, »wir werden alle arm dran sein. Die sumerischen Gallu sind dabei, auszubrechen, und sie stehen kurz davor, die Dimme freizusetzen. Wir sind im Moment machtlos und können sie nicht davon abhalten, und ich brauche jemanden, der ihnen in die Köpfe und in die Träume sehen und mir sagen kann, wie ich sie aufhalten kann.«
Hades hob die Hand, und die Skelette blieben reglos stehen. »Weißt du, was das letzte Mal geschehen ist, als eine der Dimme freigelassen wurde?«
»Nein, aber nach dem, was ich bisher von den Gallu gesehen habe, kann ich mir vorstellen, dass es ganz schön krass war.«
»Du machst dir keine Vorstellung.« Hades trat an ihr vorbei auf Xypher zu. Dass er schwer verletzt war, konnte man, abgesehen von seinen Wunden, nur an seinem abgehackten Atem merken. »Weißt du etwas über die Gallu?«
Xypher antwortete nicht.
Hades trat ihn wütend in die Seite.
»Hey!«, sagte Kat, »ich glaube, es reicht jetzt.«
»Nein, es reicht noch nicht.«
Xypher spuckte nach Hades, aber die Spucke flog nicht zu ihm, sondern kehrte um und flog direkt zu Xypher zurück.
Hades grinste ihn höhnisch an. »Netter Versuch, du Schlaumeier. Meinst du, du bist der Erste, der das versucht? Und jetzt beantworte meine Frage.«
Kat konnte Xyphers wütenden Gesichtsausdruck nicht verstehen. Er reizte Hades mit seiner Antwort bis aufs Blut: »Warum sollte ich dir Dreckskerl irgendetwas sagen?«
»Weil ich deinen Aufenthalt hier noch wesentlich schlimmer machen kann, als er jetzt schon ist.«
»Ich freu mich darauf.«
Hades trat zurück, aber Kat packte ihn bei der Hand. »Bitte, Hades, können wir es mal auf meine Art versuchen?«
»Du bist ein Dummkopf, Katra. Er respektiert ausschließlich Gewalt, deswegen ist er hier. Weißt du, dass elf Oneroi nötig waren, um ihn zu töten? Elf – und die sind nur knapp davongekommen.«
»Ja.« Sie seufzte. »Und der letzte Dream-Hunter, den ich auf die Gallu angesetzt habe, lebt nicht mehr.«
An seinem Gesicht konnte sie sehen, dass er Bescheid wusste.
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