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Lockruf der Finsternis

Lockruf der Finsternis

Titel: Lockruf der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherrilyn Kenyon
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vorgestellt, aber keines von ihnen war diesem auch nur nahegekommen.
    Sie wollte zu ihm laufen und ihn umarmen. Wenn sie es nur gekonnt hätte! Seine distanziertes Verhalten schüchterte sie so ein, dass sie sich nicht rühren konnte.
    »Vater?«, fragte sie zögernd.
    Er schaute zur Seite, und eine einzelne Träne rann seine Wange hinunter. Dann verblasste er vor ihren Augen. Kat hatte selbst Tränen in den Augen und drohte, an ihren Gefühlen zu ersticken.
    Ihre Großmutter legte ihr zärtlich die Hand auf die Schulter. »Geh zu ihm, Katra, er braucht dich jetzt.«
    Sie nickte und versetzte sich auf den Olymp, auf den Balkon, auf dem sie als Kind herumgetollt und gespielt hatte.
    Ihr Vater stand kaum zwei Meter von ihr entfernt.
    Kat war sich unsicher, was sie sagen oder tun solle. Sie wollte auf ihn zulaufen. Oder, besser noch, etwas sagen. Aber es fiel ihr nichts ein, sie fühlte nur seinen Schmerz und sein Leid.
    Er stand so unbeweglich wie eine Statue und starrte in den Garten hinunter.
    Plötzlich keuchte er, als sein Bewusstsein wieder in seinen Körper zurückkehrte. Ihr Herz blieb in dem Moment stehen, als er sich ihr zuwandte und ihrem Blick begegnete.
    Die Tränen flossen ihr über die Wangen, und ihre Gefühle überwältigten sie. Ärgerlich wischte sie sich die Tränen ab. »Normalerweise weine ich nicht. Ich bin nicht besonders gefühlsbetont.«
    Noch immer sagte er nichts. Er ging langsam auf sie zu, als ob er nicht glauben könnte, was er sah. Direkt vor ihr blieb er stehen und starrte sie an, als wäre sie ein Gespenst.
    Er war viel größer. Viel mächtiger. Sie nahm an, dass es normal für eine Tochter war, von ihrem Vater bis zu einem gewissen Grad eingeschüchtert zu sein. Aber sie hatte wirklich Angst.
    »Hast du ein schönes Leben geführt?«, fragte er sanft.
    Diese eine Frage ließ sie nur noch mehr weinen, aber sie nickte. »Ich habe nur eine Sache vermisst.«
    »Und was?«
    »Dich.«
    Ash bekam keine Luft mehr, als ihm die Tränen aus den Augen rannen. Das machte ihn wütend. Er weinte nicht. Niemals!
    Doch der Gedanke daran, dass er so viel von ihrem Leben versäumt hatte, und die Tatsache, dass er für seine Tochter ein völlig Fremder war, zerriss ihm das Herz.
    Wie viele Kinder hatte er über die Jahrhunderte hinweg verhätschelt und beschützt? Wie viele hatte er im Arm gehalten und sich gewünscht, selbst Kinder zu haben, obwohl er wusste, dass er nicht in der Lage war, welche zu zeugen. Und jetzt zu erfahren, dass er die ganze Zeit über eine Tochter gehabt hatte …
    Es war so verdammt ungerecht.
    Er schluckte und hätte am liebsten die Hand ausgestreckt, um sie zu berühren, aber er hatte Angst, dass sie ihn wegstoßen würde, wie jeder andere es bisher getan hatte. Sicher hasste sie ihn, weil er sie vernachlässigt hatte. Er würde es ihr nicht übel nehmen, wenn sie das tat. Er kannte sich aus: Er hatte sich genauso gefühlt, als er von seinen wirklichen Eltern erfahren hatte. Er hatte sie dafür verachtet, dass sie ihm niemals gesagt hatten, wer sie waren, dass sie niemals da gewesen waren, wenn er Trost oder Liebe gebraucht hatte.
    Bis jetzt hatte er nicht begriffen, wie schwierig es für seine Mutter gewesen sein musste, ihn das erste Mal zu treffen.
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, flüsterte er.
    »Ich auch nicht. Dann werden wir hier wohl nur herumstehen und uns anheulen, was?«
    Er lachte bei ihrem unerwarteten Humor.
    Kat wischte sich erneut über die Augen. »Darf ich dich umarmen?«
    Ash streckte die Arme aus, und sofort rannte sie auf ihn zu. Als sie in seinen Armen lag, berührte es ihn bis in die Tiefen seiner Seele. Sie war seine Tochter, sein Fleisch und Blut. Eine Welle von Besitzerstolz erfasste ihn, und die Liebe, die er für sie empfand, war so groß, dass er fast ertrunken wäre.
    Jetzt verstand er seine Mutter – und auch ihren Ärger über die Nacht, in der sie alles über seine Vergangenheit erfahren hatte. Er wollte jeden verletzen, der Kat je wehgetan hatte.
    Die Schuld, die er empfand, dass er nicht da gewesen war …
    Nicht ein einziges Mal in ihrem Leben hatte er Kat in den Arm genommen. Nie hatte sie geweint und er sie getröstet. Sie hatte von ihm nicht mehr gewusst als die Tatsache, dass er seine DNA abgeliefert hatte, um sie zu zeugen. Sein einziger Trost war, dass er nie etwas von ihrer Existenz geahnt hatte.
    Wie viel schlimmer musste es für seine Mutter gewesen sein, zu wissen, dass er irgendwo dort draußen war, dass sie aber nicht

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