Lockruf der Finsternis
Denken, um sich an die Situation zu gewöhnen.
Also hatte er spielerisch geschmollt, sie dann in die Arme genommen und sich zum Schlafen hingelegt. Auf gewisse Weise war das sogar noch intimer, als Sex mit ihm zu haben. Es erforderte zumindest noch mehr Vertrauen, denn er musste die Augen schließen und sich entspannen, während sie in unmittelbarer Nähe war. Sie hätte jetzt alles Mögliche mit ihm tun können, und er wäre nicht in der Lage gewesen, sie zu stoppen.
Sie könnte ihm den Kopf rasieren, ihm die Fingernägel pinkfarben lackieren, ihm Make-up auftragen …
Sie musste sich auf die Lippen beißen und ein Lachen unterdrücken, dass sie auf so alberne, mädchenhafte Weise an ihn dachte.
»Was machst du da?« Seine tiefe Stimme war ein schläfriges Knurren.
»Ich dachte, du schläfst?«
»Hab ich auch, bis du mit der Hüfte an meine Lenden gestoßen bist.« Die durchdringend blickenden Augen öffneten sich und starrten sie an. »Es ist ziemlich schwierig zu schlafen, wenn du mit deinem Duft in meiner Nähe bist und deinen Körper an meinem reibst.« Er drehte sich auf den Rücken. »Um genau zu sein, es ist sogar grausam.«
»Das tut mir leid.« Sie kuschelte sich an ihn, legte den Kopf auf seine Brust und atmete den männlichen Geruch seines Körpers ein. Sie starrte auf ihre Hand, die auf seiner dunklen Haut unglaublich blass aussah, dann küsste sie ihn auf die Brust und schloss die Augen.
Bei ihren Liebkosungen zuckte Sins Körper. Er konnte noch immer nicht fassen, dass er sein Bett mit ihr teilte und dass sie darin wirklich nichts anderes taten als schlafen.
Was, zum Henker, stimmte mit ihm nicht? Das hatte er noch nie zuvor mit einer Frau getan.
»Wir sind erwachsen, du wirst es überleben.« Ihre Wortgewandtheit klang noch immer in seinem Kopf nach. Aber er war nicht so sicher, dass er es überleben würde.
Und doch war es gleichzeitig wunderbar, sie zu spüren, wie sie so neben ihm lag. Er fuhr mit der Hand durch ihr helles Haar. Er wusste nicht, warum, aber er war schon immer von blondem Haar fasziniert gewesen. Ihres war wie gesponnenes Gold, das seine Haut liebkoste. Er breitete es über ihre Schultern aus und lächelte, als er ihren pinkfarbenen Flanellpyjama sah.
Ein Schlafanzug … in seinem Bett! Würden denn die Erniedrigungen niemals ein Ende finden? Zumindest hätte sie ein Negligé tragen können.
»Die sind unbequem. Sie rutschen immer hoch, wenn man schläft.«
Aber was machte das schon? Du wärst ohnehin nicht in der Lage, die Finger von ihr zu lassen .
Da hatte sie ihn vielleicht auf Gedanken gebracht …
Sin seufzte und zog an dem Ärmel aus Flanell. Er wäre gern in der Zeit zurückgereist, um denjenigen zu finden, der den Schlafanzug als Nachtbekleidung erfunden hatte, und dann hätte er ihn windelweich geprügelt. Und er war sicher nicht der einzige Mann, der das im Sinn hatte.
Natürlich wäre es nicht so schlimm gewesen, hätte Kat sich nicht ihre eigene Kleidung herbeiholen können. Denn dann hätte er darauf bestehen können, dass sie nackt schlief – oder zumindest in einem seiner T-Shirts.
Flanell war wirklich beschissen.
Jetzt schlaf endlich, Sin …
Das war leichter gesagt als getan. Das Ganze fühlte sich wirklich wie eine neue Art der Folter an. Sein Körper glühte vor Verlangen, und es war keine Erleichterung in Sicht. Kein Wunder, dass manche Männer darum bettelten, kastriert zu werden.
Aber bald überwältigte ihn die Erschöpfung, und er schlief wieder ein. Er träumte von Kämpfen, die er früher bestanden hatte, und dann von weiter zurückliegenden Zeiten …
Er sah Anu, voller Stolz, als die ersten Gallu zur Welt kamen – nicht aus dem Leib einer Mutter, sondern aus Eiern, sodass sie überleben und schlüpfen konnten, selbst wenn die Mutter getötet wurde.
Nach der Begattung konnte ein Weibchen zwei Dutzend befruchtete Eier legen, die hitze- und kälteresistent waren, beinahe unzerstörbar.
Anu hatte an einem Abgrund hoch über dem Nest gestanden, als die ersten Jungtiere schlüpften. »Schau sie dir an, Sin. Das ist die ultimative Waffe. Jetzt können uns keine anderen Götter mehr besiegen.«
»Sie sind schön«, hatte Anatum gesagt, und ein perfektes Lächeln war auf ihrem edlen Gesicht erschienen. Sie war nicht nur Anus Frau, sondern auch die Göttin der Schöpfung. Sie war groß und graziös, ein Traumbild an der Seite ihres Mannes.
Sie war das erste Opfer der Gallu geworden. Sobald sie ihre Kräfte unter Kontrolle hatten, waren
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