Lockruf der Finsternis
Gedanken hatte Sin gelächelt. Aber es lenkte ihn nicht von dem ab, was ihn am stärksten beschäftigte. »Ich habe mit meinen Befürchtungen recht, Zakar. Ich weiß es ganz einfach.«
»Ich bin sicher, dass du recht hast. Aber keiner von denen wird auf dich hören. Sie haben solche Angst vor dem Feind da draußen, dass sie blind gegenüber dem Feind sind, den sie in ihrem eigenen Haus heranziehen. Es ist nie der Eindringling von außen, der ein Königreich zerstört, es ist immer jemand, der von innen kommt. Diese eine Person, der man vertraut hat, obwohl sie es nicht verdient. Dieser eine Lügner, der dir ins Gesicht lächelt und dann auf deine Barmherzigkeit speit. Dieser eine, der denkt, dass er mehr verdient, einzig und allein aus dem Grund, dass er mehr will.«
Zakar hatte recht. Aber das änderte nichts an der Situation.
Sin blieb im Garten stehen und schaute ihn an. »Was kann ich machen, um dem ein Ende zu setzen?«
»Sei der letzte Aufrechte, Bruder. Lass sie ihre Spielchen spielen und ihr Gift versprühen. Zum Schluss sind sie selbst diejenigen, die von ihrem eigenen Gift zerstört werden. Nichts, was schlecht ist, kann lange überleben. Sie werden sich gegeneinander wenden, weil sie keinen anderen Weg kennen.«
»Und die Welt dort draußen? Was geschieht mit den Menschen, die sich um Schutz an uns wenden? Was wird mit ihnen geschehen, wenn die Gallu erst einmal frei sind?«
»Sie werden Leute haben, die für sie eintreten. Wir werden da sein, du und ich, und nicht zulassen, dass die Dämonen sie vernichten.«
Nur dass Zakar jetzt nicht mehr da war – und auch die Armee von Kriegern, die sie einst gelehrt hatten, wie man die Gallu bekämpft, war nicht mehr da. Die Menschen waren alle tot, und die Dämonen hatten Zakar in ihre Unterwelt gezerrt und ihn gefoltert, bis er nur noch die Hülle eines Mannes war, der einst die Kräfte eines Gottes besessen hatte.
Es war ernüchternd, und es jagte Sin Angst ein.
Doch da spürte er eine warme Hand auf seiner Schulter. Er wandte sich um und erwartete, seine Frau zu sehen.
Stattdessen war es Kat. Sie sah aus wie ein Engel, und sein ganzer Körper brannte vor Verlangen. Nie war er glücklicher gewesen, jemanden zu sehen.
»Was machst du hier?«, fragte er sie.
»Ich habe sie zu dir geführt«, erklang die Stimme seines Bruders.
Sin wandte sich zu Zakar um, der die beiden jetzt umkreiste. »Das verstehe ich nicht.«
»Dies ist kein Traum, Sin, es ist ein Krieg.« Zakar warf einen feurigen Blitz auf ihn.
Obwohl es nur ein Traum war, verbrannte der Blitz Sin die Brust. Er schnappte nach Luft und wälzte sich auf dem Boden, bis das Feuer gelöscht war. Er schaute zu Zakar hinauf. »Was tust du da bloß?«
Zakar streckte die Hand aus, und eine Peitsche mit Stacheln wickelte sich um Sins Oberarm. Er zischte vor Schmerz, als Zakar an der Peitsche zerrte und ihm den Arm auskugelte.
»Nein! Tu ihm nicht weh!«, rief Kat Zakar zu.
Zakar schoss einen Blitz auf Kat, aber sie duckte sich weg und schoss zurück, sodass er taumelte.
»Kennst du noch ein paar Tricks? Wie wär’s mit dem hier?« Sie überzog ihn mit Eis.
Sin erhob sich und rannte zu ihr hinüber. »Hör auf, Kat, du tust ihm weh.«
»Es ist ihm egal, ob er dir oder mir wehtut, also hat er es auch verdient.«
Zu seiner Überraschung fing Zakar an zu lachen. Er erhob sich vom Boden und glitt auf Kat zu, die sich anspannte und auf seinen nächsten Angriff wartete.
»Hör auf sie, Sin. Sie hat recht. Woher willst du wissen, ob ich es überhaupt bin?« Er verwandelte sich in Kessar. »Vielleicht bin ich ja nur hier, um dich zu zerstören.« Die Erscheinung sprang auf ihn zu.
Sin packte ihn bei der Kehle und warf ihn zu Boden. »Was bist du?«
»Ich bin zerbrochen, Bruder. Ich bin hergekommen, weil dies der einzige Raum ist, in dem ich sein kann, was ich will. Ich habe keine Kontrolle mehr über mich, wenn ich in meinem Körper bin. Ich kann mir nicht trauen, wenn ich wach bin – und du kannst es auch nicht.«
Sin hockte sich auf den Boden. »Haben die Gallu dich infiziert?«
»Nicht ganz.« Zakar setzte sich auf, sodass er genau vor Sin saß. »Ich war immun, deswegen können die Gallu mich nicht völlig unter Kontrolle bekommen – aber ich selbst kann es eben auch nicht. Da gibt es noch etwas anderes … etwas Dunkles und Tödliches, das in mir lebt. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Der einzige Ort, an dem du mir vertrauen kannst, ist hier.« Zakar ließ den Kopf hängen. »Es tut mir
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