Lockruf der Highlands: Roman (German Edition)
gebeten hätte. Aber er fand, man könne das nicht erklären. Man müsste es fühlen, um es zu verstehen.«
Sie lächelte plötzlich. »Dann kannst du es mir auch nicht erklären, und das bedeutet, dass du deine Chance vertan hast, mir die Erlaubnis zum Bleiben abzupressen.«
Er zog eine Braue hoch. »Oder ich habe dich so neugierig gemacht, dass ich doch bleiben darf.«
»Wie kommst du darauf?«
»Ich sagte schon, dass ich mich mit zwanzig bei meiner Mutter entschuldigt habe. Bist du nicht ein wenig neugierig, weshalb ausgerechnet dann?«
Sie sah auf den Sender hinunter und zog gleichmütig die Schultern hoch. »Vielleicht.«
Aber Luke wusste, dass sie vor Neugierde fast platzte – und sich vermutlich fragte, ob ihm ein Mädchen das Herz gebrochen hatte. »Kann ich bleiben?«, fragte er leise.
Als sie aufschaute, hatte ihr Blick etwas Herausforderndes. »Nur wenn du mir einen Tipp gibst, was passieren musste, damit du mit zwanzig deine große Offenbarung hattest.«
Ja, jetzt hatte er sie am Wickel – er musste die Angelschnur nur einholen. Luke starrte über ihren Kopf hinweg, als würde er sich die Sache noch überlegen, dann sah er ihr in die Augen. »Ich bin gestorben.«
11
C amry fuhr am späten Dienstagnachmittag vom L.L.Bean-Parkplatz in Freeport los, neben sich ihren Komplizen, auf den Hintersitzen zwei Hunde sowie all ihren Krimskrams. Der Kofferraum ihres SUV war mit der Campingausrüstung für den Winter und Vorräten bis oben voll.
Luke vertiefte sich sogleich in das neue und angeblich verbesserte GPS-Gerät, das er soeben erstanden hatte, und Camry bog mit erwartungsvollem Lächeln auf die Interstate 95 in Richtung Norden ab. So sehr sie ihre vierbeinigen Freunde und ihren Job in Daves Lokal liebte, so wusste sie doch, dass es im Winter nichts Besseres gab als einen Campingausflug, um einen klaren Kopf zu kriegen – und, um die Sache ein bisschen spannender zu machen, einen Traummann, der einen ganz zufällig auch noch begehrte.
Camry dachte an die vielen Freunde, die sie im Lauf der Jahre gehabt hatte, und versuchte abzuschätzen, ob die Zeit mit einem von ihnen an das Wochenende heranreichte, das sie soeben mit Luke
verbracht hatte. Die letzten drei Tage hatten sich erstaunlich intim gestaltet – was Cam höchst interessant fand, da sie Intimität stets mit Sex gleichgesetzt hatte. Nun aber hatte sie ihr Bett drei wundervoll zölibatäre Nächte lang mit Luke geteilt, und sie konnte sich nicht erinnern, jemals so fest geschlummert zu haben.
Insgeheim lächelnd reihte sich Camry in den Verkehr ein, gedanklich bei den Geschehnissen vom Sonntagmorgen. Seit Fiona Lukes Tarnung gelüftet hatte, war wieder der Physiker Lucian Renoir zutage getreten, und Luke war lange vor Sonnenaufgang aufgestanden, hatte seinen Laptop hervorgeholt und wieder den Kampf mit den Zahlen aufgenommen. Als sie im Schlafanzug ins Wohnzimmer gestürzt war, außer sich vor Angst, er hätte sich womöglich entschlossen, sie abzuservieren, hatte sie ihn dabei ertappt, wie er eine Wand vollkritzelte.
Luke war so in seine Arbeit vertieft gewesen, dass ihm völlig entgangen war, dass er ihre Wand als Schreibtafel verwendete. Auf ihren erschrockenen Ausruf hin hatte er verwirrt reagiert. Zerknirscht und mit aufrichtigem Bedauern hatte er aus der Küche einen feuchten Lappen geholt. Doch dann hatte er sie angebrüllt, als er sah, dass sie eine seiner Gleichungen überschrieben hatte. Den Rest des Tages hatten sie damit zugebracht, zwei weitere Wände
mit Gleichungen vollzuschmieren und die Absturzbahn des Satelliten zu berechnen – eine Bahn, die in Widerspruch zu sämtlichen physikalischen Gesetzen stand. Camry hatte nicht nur vergessen sich anzuziehen, auch Unwohlsein und schlechte Laune waren wie weggeblasen.
Zwar war sie noch immer hin und weg, wie rasch Luke ihr kleines Täuschungsmanöver durchschaut hatte, bei dem es darum ging, ihre Partner glauben zu machen, sie hätten irren Sex mit ihr. Sie hatte es darin zu solcher Perfektion gebracht, dass sie sich praktisch selbst eingeredet hatte, völlig erfüllt und befriedigt zu sein.
Die Männer hatten jedenfalls nie Grund zur Klage gehabt.
Bis auf Luke: Nach nur zwei Tagen hätte er ihr am liebsten den Hals umgedreht. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass er tatsächlich eine Packung Kondome herausgezogen, sie geöffnet und gefragt hatte, ob sie wüsste, was das wäre. Sie hätte empört sein sollen, stattdessen aber hatte sie sich gefragt, was er mit
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