Lockruf der Highlands: Roman (German Edition)
nicht bis zum Ende hören wollte.« Sie verpasst ihm einen Schlag an den Arm.
»Ich habe nie jemandem gesagt, was sich abgespielt
hat, nachdem ich ins Wasser gefallen war; kein Wort, dass ich fast abgesoffen wäre, kein Wort von Maxines Heldentat«, murmelte Luke in ihr Haar.
Sie war erstaunt. »Aber warum nicht? Sollte Kate denn nicht erfahren, dass Maxine ums Leben kam, weil er dich retten wollte?«
»Es war mir zu persönlich, um mit jemandem darüber zu reden. Oder vielleicht … zu heilig. Ja, das kommt eher hin. Deshalb habe ich mich damit begnügt, mich mit den anderen über Kates Rettung zu freuen.« Er seufzte tief. »Der Hund hatte sie übrigens nicht in den Wald gelockt; er war ihr nachgelaufen.«
Camry entspannte sich. Sie war noch immer betroffen, dass Maxine nicht überlebt hatte, aber verdammt froh, dass Luke es geschafft hatte. »Hast du herausbekommen, warum Kate aus dem Haus gegangen war?«
»Sie sagte, sie hätte einen ganz besonderen Stein in dem Teich voller hübscher Steinchen gesucht, den sie letzten Sommer gesehen hatte, als sie und André im Fluss geangelt hatten.«
»Und wieso meinte sie, sie könnte den Teich trotz der Schneedecke finden?«
»Fünfjährige denken nicht an so alberne Details; sie holen sich einfach, was sie wollen.« Seine Lippen berührten wieder ihr Haar. »Kate hatte nur im Sinn, ihren besonderen Stein zu finden. Sie wollte
ihn mir zu Weihnachten schenken. Ich sollte nicht ohne eine Erinnerung an sie wieder zurück aufs College gehen. Das hat sie mir jedenfalls erklärt, als sie abends in mein Zimmer kam, nachdem wir sie aus dem Krankenhaus nach Hause geholt hatten.«
Er atmete unvermittelt tief ein. »Das hat mir den Rest gegeben. Auf der Suche nach einem dummen Stein für mich wäre sie fast ums Leben gekommen, und ich brüllte sie an. Und weißt du, was sie machte, anstatt in Tränen auszubrechen wie ein normales Kind?«
Camry sagte nichts, sie brachte kein Wort mehr heraus.
»Sie schlang ihre Ärmchen um meine Beine und sagte, sie hätte mich so lieb, dass ihr das Herz wehtäte, wenn sie sich vorstellte, sie würde mir so fehlen, so wie ich ihr fehlte.« Es folgte wieder ein unvermittelter Atemzug. »Und dann erklärte sie mir, dass sie sich ja in mein Zimmer setzen könnte, wenn sie mich vermisste, dass ich aber auf dem College nichts hätte, was mich an sie erinnert.« Er hielt kurz inne. »Ich bekam ganz weiche Knie«, fuhr er heiser fort, »und ich kniete nieder, um die Kleine in die Arme zu nehmen. Aber ehe ich dazu imstande war, öffnete Kate ihre winzige Faust. Auf ihrer Handfläche lag ein schwarzweiß gesprenkelter Stein. Er sei viel kleiner als der Stein, den sie eigentlich für mich auserkoren
hatte, erklärte sie, aber sie hätte den schönsten Stein nehmen müssen, der im offenen Wasser erreichbar war, weil Maxine sie ja an der Jacke festhielt und wegzog.«
Luke senkte den Kopf und drückte seine Wange an ihre. »Weißt du, was Liebe wirklich ist, Camry? Sie ist kompromisslos, edel und bedingungslos, und mitunter beschert sie einem viel Herzeleid. Ich entschuldigte mich bei Kate, weil ich sie angebrüllt hatte, und sie streichelte mir die Wange und sagte, sie wüsste, ich wäre nur wütend geworden, weil ich sie lieb hätte – so wie Maxine sie angeknurrt hatte, als sie hinunter ans Wasser wollte. Ich zitiere Kate wörtlich: ›Maxine hat mich nicht ins Wasser fallen lassen, weil er wusste, dass ich ihn ewig liebe.‹«
Luke stützte seufzend sein Kinn auf ihren Kopf. »In den ersten fünf Jahren ihres Lebens hatte ich Kate nicht viel Beachtung geschenkt. Ich hatte nicht den leisesten Schimmer, was ich mit so einem kleinen Kind anfangen sollte. Und als sie dann schon laufen konnte, war ich die meiste Zeit auf dem College oder arbeitete in der Stadt und hing den ganzen Sommer über mit meinen Freunden herum. Das alles konnte nicht verhindern, dass sie mich so liebte, dass ihr das Herz wehtat, wenn ich fort war.«
Er hob Camrys Kinn an, damit sie ihn ansehen musste. Sein Lächeln wirkte im Licht des Armaturenbrettes
ganz sanft. »Ich habe Kate also ins Bett gesteckt, dann bin ich hinunter ins Wohnzimmer gegangen. Dort bin ich vor meiner Mutter auf die Knie gesunken und habe mich dafür entschuldigt, dass ich mit vierzehn durchgebrannt bin. Und dann habe ich mich bei André entschuldigt, weil ich ein so egozentrisches Ekel gewesen war, und habe ihm gedankt, weil er mich nicht aufgegeben hat.«
Er verlagerte das Gewicht, ohne seine Umarmung
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