Lockruf der Highlands: Roman (German Edition)
zu lösen. Dann drückte er ihr etwas in die Hand. »Hier. Jede Wette, dass auch du die Liebe spürst, wenn du dich ein bisschen bemühst«, flüsterte er und schloss ihre Finger um ein kleines, glattes Objekt. »Bevor ich damals im Sommer wieder aufs College ging, nahm ich Kate an den Fluss hinunter mit, und wir häuften zu Ehren Maxines einen großen Haufen Steine auf. Dann suchte ich so lange, bis ich einen ganz besonderen Stein gefunden hatte, und schenkte ihn Kate. Sie drückte ihn an ihr Herz und sagte, es wäre der wunderschönste Stein, den sie je gesehen hatte.« Er drückte Camrys Faust. »Seit damals trage ich Kates Stein bei mir. Egal, wo ich mich befinde oder was ich tue, ich muss nur in die Tasche greifen und weiß, dass ich kompromisslos, edel und bedingungslos geliebt werde.«
Er führte ihre Hand an seinen Mund und küsste sie. »Und die Moral von der Geschichte? Ich weiß
jetzt, dass wir oft unsere wichtigsten Lektionen von einem fünfjährigen Kind bekommen und dass sie uns mitunter auch in Gestalt eines räudigen alten Hundes begegnen.«
»Oder als Fachkollege, der sich aus irgendeinem Grund in mich verbissen hat und mich nicht loslassen will, wenn ich nicht nach Hause fahre und mich bei meiner Mutter entschuldige.«
Er erstarrte plötzlich. »Nein«, sagte er ungehalten. Er schob sie über die Konsole auf ihren Sitz hinüber. »Mit Maxine kannst du mich nicht vergleichen. Der Hund war ein Held, tapfer und selbstlos, während ich ein auf den eigenen Vorteil bedachter Egoist war, der sich ungeniert das Lebenswerk von jemand anderem angeeignet hat.«
Sie schnappte leise nach Luft. »So siehst du dich selbst?«
Er blickte sie an. Das Licht vom Armaturenbrett betonte seine jetzt harten Gesichtszüge. »Fiona hat sich geirrt. Ich bin kein Wunder – für niemanden.«
»Aber es war doch nicht deine Absicht, den Podly zu zerstören.«
»Immerhin war ich fest entschlossen, die Daten auszuwerten, die herunterzuladen ich versucht hatte.« Er drehte sich um und schaute aus dem Seitenfenster.
Camry starrte durch die Windschutzscheibe. Sie
wünschte sich verzweifelt, Luke sagen zu können, dass nicht er den Satelliten zum Absturz gebracht hatte, sondern Fiona. Obwohl sie wusste, dass sie einmal darüber sprechen mussten, brachte sie noch nicht den Mut auf, die Büchse der Pandora zu öffnen.
Sie ließ den SUV an, beobachtete den fließenden Verkehr und steuerte das Fahrzeug wieder auf die Fahrbahn. Vielleicht hatte Fiona sich ja geirrt. Wunder waren schließlich der Stoff, aus dem Zauber besteht, und Zauber war bekanntlich nicht dazu da, um Entführer und nichtsnutzige Lügner zu belohnen. Viel eher spielte der Zauber mit ihnen wie eine Katze mit der Maus – oder wie eine zu lustigen Streichen aufgelegte Nichte mit einem Satelliten –, bevor er ein richtig schlechtes Karma hinterherschickte.
Nun, umso besser … Wenn sie und Luke alte Schulden zu begleichen hatten, dann konnte Camry sich niemand Besseren dafür wünschen. Im Gegensatz zu seiner Selbsteinschätzung wusste sie nämlich, dass Lucian Renoir es – wie Maxine – niemals zulassen würde, dass der tosende Fluss sie mit sich riss.
12
K urz nach Mitternacht trafen sie in Pine Creek ein, es dauerte jedoch noch weitere zwei Stunden, bis sie einer Schneeraupe habhaft wurden – sie klauten dem Pistenteam des TarStone-Mountain-Skiresort das Ding praktisch unter der Nase weg. Es war fast drei Uhr morgens, bis sie wieder bei ihrem Auto waren, das sie einige Meilen von der Anlage entfernt versteckt hatten. Luke wusste nicht recht, ob Camry lebensmüde war oder ob es ihr einen besonderen Kick gab, sich in der Finsternis herumzudrücken.
Allerdings erfuhr er bei dieser Aktion einige interessante Dinge über sich selbst. Erstens tat er gut daran, bei der Physik zu bleiben, da er als Dieb verhungern würde; und zweitens hätte er trotz der kalten Schweißausbrüche, die ihn die ganze Nacht über geplagt hatten, mit Camry zusammen gern noch viele weitere Gesetzesbrüche begangen. An einem gewissen Punkt war er sogar versucht gewesen, zur Abwechslung mal einen Blick in ihre Hose zu werfen,
um zu sehen, wie sie »bestückt« war. Diese Frau schien Nerven wie Drahtseile zu besitzen, die Konzentration eines Marineschwimmers und den Verstand eines Meisterverbrechers.
Zudem verfügte sie über ein geradezu perverses Gefühl für das richtige Timing. Während sie in der Wartungsgarage versteckt darauf warteten, dass einer der Mechaniker so
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