Lockruf Der Leidenschaft
solchen Dingen auch nicht gerade für seinen Mangel an Großzügigkeit bekannt.«
Polly erschauderte. »Ich betrachte mich aber nicht als ein Mitglied des herzoglichen Harems, mein lieber Lord De Winter.«
Richard kaute nachdenklich auf seiner Lippe. Er konnte nicht behaupten, dass er diesen Widerstand nicht erwartet hatte. »Aber warum solltest du dadurch zu einem Mitglied seines Harems werden?«, fragte er scheinbar beiläufig. »Bist du nicht außergewöhnlich genug, um deinen eigenen Platz einzunehmen? Und indem du dir diesen auch weiterhin erhältst, gibst du uns die Augen und Ohren, die wir so dringend benötigen.«
Polly goss sich ein Glas Sherry ein, ehe sie die Karaffe auch Richard anbot. Er nahm sie entgegen, goss sich nach und wartete geduldig das Ergebnis ihrer Überlegungen ab.
»Außergewöhnlich«, murmelte sie einige Minuten später nachdenklich. Es gab eine Möglichkeit, wie sie für George Villiers zu etwas ganz Außergewöhnlichem werden konnte - für den reichen, unlenkbaren und unbesiegbaren Herzog.
»Und was haltet Ihr davon, wenn man Seine Gnaden zu diesem Zwecke zunächst nur ein wenig reizen würde?« Mit einem Mal leuchteten ihre Augen auf, entfacht von einer überraschenden Eingebung und der Erleichterung, als sie einen Weg sah, diesem unerträglichen Dilemma vielleicht doch noch zu entgehen.
»Bitte sprich weiter«, ermunterte Richard sie, unfähig, diesem ansteckenden Lächeln zu widerstehen. »Ich bin offen für alle neuen Vorschläge.«
»Nun ja ...« Polly tippte sich mit dem Zeigefinger nachdenklich gegen ihre makellos weißen Schneidezähne. »Seine Gnaden ist es doch gewohnt, immer seinen Willen zu bekommen, nicht wahr?« Richard nickte. »Und wie wäre es, wenn er feststellen müsste, dass ich aber nur äußerst schwer zu bekommen bin? An einem Tag würde ich ihm einladend gegenübertreten, am nächsten die Abwesende spielen, aber stets bereit sein, dieses Verfolgungsspielchen mitzuspielen?«
»Wenn sein Verlangen nach dir groß genug ist, könntest du ihn mit dieser Taktik in die Falle locken«, stimmte De Winter zu.
»Und sein Verlangen nach mir ist groß genug«, stellte Polly leise fest, ganz ohne Eitelkeit oder List. »Ich kann diese Rolle spielen, Richard. Ich werde ein Netz um ihn spinnen, das ihn vollkommen in seinen Bann schlagen wird, mit dem ich dafür sorgen werde, dass es ihn stetig nach meiner Gesellschaft verlangt und er unablässig auf den Augenblick wartet, in dem ich seinem Charme erliege und mich ihm hingebe - ein Augenblick, von dem er stets denken wird, er sei nicht mehr fern. Wenn ich mir auf diese Weise Zugang zu seinem engsten Kreis von Vertrauten verschaffe, reicht es doch im Grunde völlig aus, oder? Es muss mir doch nur gelingen, dass man meine ständige Gegenwart als selbstverständlich akzeptiert?«
»Ich sehe keinen Grund, weshalb das mit diesem Plan nicht zu schaffen sein sollte«, meinte Richard und stellte mit Erleichterung fest, dass er nun nicht länger gezwungen war, eine widerwillige Mitspielerin zu gewinnen, sondern lediglich gemeinsam mit einer Partnerin einen Plan ersann. »Uns interessiert nur, von welchen Eindrücken, Hofgeflüster und Plänen du uns berichten kannst, aber nicht, wie du diese Informationen erwirbst.« »Und Nick?«, fragte Polly, während ihre Begeisterung augenblicklich wieder erlosch. Wann war ihm und seinen Freunden diese Idee eigentlich zum ersten Mal gekommen? Nachdem es offensichtlich geworden war, dass Buckingham Interesse an ihr gefunden hatte? Und wessen Idee war es gewesen? »Ist es für ihn von Bedeutung, ob ich es schaffe, dem Herzog die Informationen zu entlocken, ohne mich ihm hingeben zu müssen, was meint Ihr? Oder macht er sich über solcherlei Dinge keine Gedanken?«
»Ich glaube nicht, dass du mich brauchst, um dir diese Frage zu beantworten«, entgegnete Richard leise. »Er wird bald hier sein. Warum fragst du ihn nicht selbst? Falls du das überhaupt noch tun musst um die Antwort zu erfahren.«
Erschöpft ließ Polly sich auf einen Stuhl sinken. Sie glaubte in der Tat nicht, dass sie Nick diese Frage noch stellen musste, trotzdem wünschte sie, er hätte den Mut besessen, sie selbst in diese Verschwörung einzuweihen. In ihrer Unbedarftheit dachte Polly, dass sie es aus seinem Munde leichter aufgenommen hätte.
Richard blickte Polly mitfühlend an. Das Erwachsenwerden war eine höchst mühsame Sache, und die Schule, durch die Polly gegangen war, war sogar noch härter als die meisten
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