Lockruf Der Leidenschaft
zum Teufel noch mal, Richard! Ich werde sie nicht selbst darum bitten! Du bist in dieser Hinsicht viel sachlicher als ich. Du kannst ihr sagen, dass der Plan auch meine Zustimmung findet, aber verrate ihr nicht, dass das Ganze ursprünglich meine Idee war. Ich will nicht, dass sie glaubt, dass all das der Hintergrund war -« Nicholas lächelte bitter. »Du verstehst mich doch, Richard?« »Ja, ich verstehe, und ich werde all das Polly noch heute Abend unterbreiten«, erklärte De Winter entschlossen. »Deine Bedenken mögen dir ja zur Ehre gereichen, mein Freund, aber das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Diesen Luxus können wir uns jetzt einfach nicht mehr leisten. Polly wird bestimmt nicht zu Schaden kommen, sondern wird sich, ganz im Gegenteil sogar, dadurch noch so manchen Vorteil verschaffen. Die Gönnerschaft des Herzogs von Buckingham kann nur zu ihrem Nutzen sein.«
»Mehr noch als die meine, das wolltest du doch damit sagen, hab ich Recht?«, erwiderte Nicholas mit einem schiefen Lächeln.
»Nicholas, sie ist nur deine Mätresse, nicht deine Ehefrau«, erinnerte De Winter ihn.
»Dessen bin ich mir wohl bewusst«, entgegnete Nicholas in einem Tonfall, der seinen Freund veranlasste, ihm einen scharfen Blick zuzuwerfen. »Wäre das denn deine Absicht, Nick?«
»Noch nicht einmal an diesem Hof würde man es hinnehmen, wenn ein Mann keinerlei Interesse an der Treue seiner Braut bekundete, mein lieber Richard. Es gibt schließlich trotz allem noch ein paar elementare Höflichkeitsformen. Also müssten selbst hier wenigstens ein paar Monate verstreichen, ehe sich Braut und Bräutigam nach neuen Abenteuern umsehen könnten, nicht wahr?«, ätzte Nicholas. »Wenn sie also schon bald ihren Weg in Buckinghams Bett finden soll, sollte sie es zumindest ohne Anhängsel tun können.« »Das ist ein Opfer, das du zwangsläufig bringen musst, Nick«, entgegnete Richard leise.
»Wie Recht du hast, Richard.« Kincaids Stimme troff vor Selbstironie. »Es besteht keinerlei Gefahr, dass ich die Gegebenheiten auch nur für einen einzigen Augenblick vergesse.« Damit ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen. »Vielleicht sollte ich mich jetzt auf den Weg machen und mich ein bisschen mit Lady Fanshawe amüsieren. Sie ist stets bereit, ein kleines Spiel zu wagen. Und damit überlasse ich es dann dir, Polly wieder nach Hause zurückzubegleiten, wenn der König sie aus seiner Unterredung entlassen hat. Du kannst ihr ja sagen, dass ich später noch zu ihr komme.« Nicholas verbeugte sich knapp und schlenderte in Richtung der unglaublichen Lady Fanshawe davon, die ihm ihr gepudertes und geschminktes Gesicht bereits mit unverhohlener Bereitwilligkeit zugewandt hatte, während ihre Brüste so weit aus dem tiefen Ausschnitt ihres Kleides quollen, dass ihre mit Rouge gefärbten Brustspitzen zu sehen waren.
»Oh, Mylord Kincaid! Ihr habt uns bereits böse vernachlässigt, muss ich sagen! Seit Ihr Eure hübsche kleine Schauspielerin gefunden habt, habt Ihr Euch bei Hofe so gut wie überhaupt nicht mehr blicken lassen!« Ihre vollen, zinnoberroten Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund, und ihre Augenbrauen, geschwungen und mit einem schwarzen Stift nachgestrichelt, hoben sich in unmöglich hohen Bögen über den Rand ihres heftig wedelnden Fächers.
Nicholas lächelte und ließ seinen Blick mit lüsterner Bewunderung über die freigebig zur Schau gestellten Reize wandern, während er seine Karten in diesem alten und wohl vertrauten Spiel aufnahm. Denn solange er sich mit diesem Spiel beschäftigte, konnte er zumindest das Unbehagen, das mit seiner Liebe zu Polly einherging, noch ein wenig auf Abstand halten.
Es verging eine volle Stunde, ehe Polly aus dem Privatsalon des Königs entlassen wurde. Als sie wieder in die Lange Galerie trat, ließ sie den Blick augenblicklich auf der Suche nach Nicholas umherschweifen. Sie musste ihn unbedingt wissen lassen, dass sie das Martyrium überstanden hatte. Der König war ihr offensichtlich zugetan gewesen, und Polly hatte die Unterredung wirklich genossen. Doch von Nicholas war weit und breit nichts zu sehen.
Sie musterte die schillernde, schwatzende Menschenmenge. Hinter den hohen Fenstern senkte sich bereits die Abenddämmerung herab, und Diener eilten umher, um die Kandelaber und mehrarmigen Kerzenleuchter zu entzünden, sodass die Galerie, die von den zahlreichen Menschen aufgeheizt war, vom Gestank nach Schweiß erfüllt wurde, unter den sich ein durchdringender
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