Lockruf Der Leidenschaft
gestattete sich ein kleines Lächeln. »Dann verstehst du auch, wie Nicholas und ich zu dieser Angelegenheit stehen?«
»Ihr haltet den König für schlecht beraten«, antwortete Polly. »Ihr meint, die Kabale unter Buckinghams Führung ist größtenteils dafür verantwortlich, und würdet gern die Position des Schatzkanzlers stärken, weil er in der gegenwärtigen Situation ein verlässlicherer Minister ist als beispielsweise der Graf von Ar-lington.« »Und darum, Polly, erzähle ich dir nun auch, dass Nick, Sir Peter, Major Conway und ich einen Eid abgelegt haben, Buckinghams zerstörerischen Einfluss auf den König zu vereiteln.« Er griff nach seinem Sherryglas und trank langsam einen Schluck, während er sich bemühte, sich zu sammeln.
»Euch gegen Buckingham zu stellen oder ihn gar zu bekämpfen ist doch aber höchst gefährlich.« Polly legte voller Unbehagen die Stirn in Falten. »Ihr und Nick habt doch selbst gesagt, dass sich nur ein Narr den Herzog zum Feind machen würde.«
Richard nickte. »Aber wir machen unsere Opposition ja nicht öffentlich, Polly«
»Und wie wollt Ihr das Ganze bewerkstelligen?«, hakte Polly nach, während das Unbehagen weiter wuchs, obwohl sie immer noch nicht wusste, warum.
»Wir brauchen jemanden, der Zugang zu dem Kreis von Buckinghams engsten Vertrauten hat«, erklärte De Winter, der zu dem Schluss gekommen war, dass Offenheit in diesem Fall die beste Vorgehensweise war. »Jemand, dessen Anwesenheit so gewohnt und vertraut ist, dass vertrauliche Gespräche in ihrer Gegenwart bedenkenlos weitergeführt würden. Jemand, die sich in privaten Gemächern aufhalten darf, in denen möglicherweise wichtige Dokumente offen herumliegen -«
»Die?« Polly konnte gerade noch dieses eine Wort aussprechen, das mit der rasenden Geschwindigkeit eines Rapierstoßes durch ihre Verwirrung gedrungen war. »Du«, bestätigte Richard tonlos.
»Aber ... aber wie sollte ich mir denn Zugang verschaffen zu -« Mit einem Mal sah Polly Buckinghams zynisches, von Ausschweifungen gezeichnetes Gesicht über sich schweben, die Augen von jenem Ausdruck lüsterner Gier erfüllt, und begriff.
Sie sprang so abrupt auf, dass ihre Seidenunterröcke und das spitzenverbrämte Kleid um ihre Beine wirbelten. »Und Ihr behauptet, es sei Nicks Wille, dass ich so etwas tue? Aber er weiß doch, dass ich Buckingham nicht ausstehen kann!«
»Das ist ja auch der Grund, warum ich sozusagen abgesandt wurde, um dir das Problem zu erklären, Polly«, entgegnete Richard leise. »Nick würde dich niemals selbst darum bitten. Es ist also nicht die Bitte eines Liebhabers, sondern die einer politischen Faktion, in der Nick nun einmal eines der führenden Mitglieder ist. Wir brauchen dringend deine Hilfe. England braucht Eure Mithilfe, Mistress Wyat. Wollt Ihr sie ihm verweigern?« »Ich interessiere mich nicht sonderlich für Politik«, murmelte Polly und begann auf und ab zu gehen. »Warum sollte ich mich -und noch dazu auf solch eine Art - selbst opfern? Wenn es für Nick persönlich von Bedeutung wäre, dann ... dann könnte ich vielleicht - Nein, nicht vielleicht«, fügte sie, plötzlich ungeduldig, hinzu. »Natürlich würde ich ... Aber -«
»Aber es ist doch für Nick«, unterbrach De Winter sie. »Er selbst hat sich doch dieser Sache verschworen. Und auch das Schreckgespenst des Bürgerkrieges schwebt noch immer über diesem Land, Polly. Wenn der König sich gegen das Volk stellt, so wie sein Vater es vor ihm getan hat, wird dieses Gespenst zwangsläufig eine reale Gestalt annehmen. Buckingham jedoch sieht diese Gefahr nicht. Ihm liegt nur daran, noch mehr Macht zu erlangen - eine
Macht, die er dadurch erwirbt, dass er über den König regiert. Du sagst, du interessierst dich nicht für Politik, aber eine solche Aussicht kannst auch du nicht mit Gleichgültigkeit betrachten.«
»Nein.« Polly verschränkte die Arme vor der Brust, als sei ihr plötzlich kalt geworden. »Natürlich kann ich das nicht. Aber gibt es denn keinen anderen Weg, Richard?«
»Villiers will dich«, erklärte Richard ohne Umschweife. »Diese Tatsache ist deine Eintrittskarte in seinen engsten Kreis von Vertrauten. Er würde dich niemals der Spionage verdächtigen, weil er dich nur so betrachten wird, wie er dich kennen gelernt hat - als eine Schauspielerin, die sich ihr täglich Brot verdienen muss und für die es nur diese eine Möglichkeit gibt, das zu tun. Derartige Verbindungen gibt es nur allzu häufig, und darüber hinaus ist er in
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