Lockruf Der Leidenschaft
bevor Richard hereinkommt, oder danach. Aber aufheben wirst du sie, so viel steht fest.« Auf Pollys ausdrucksvollem Gesicht spiegelte sich der Kampf zwischen Stolz und gesundem Menschenverstand, während Nicholas sich um eine möglichst strenge Miene bemühte, wohl wissend, dass er beim geringsten Hinweis auf seine Belustigung endgültig verloren hätte.
Letzten Endes siegte der gesunde Menschenverstand. Mit einem gemurmelten »Zum Teufel noch mal!« bückte Polly sich, um die zerdrückten Kleidungsstücke einzusammeln, und stapfte mit voll beladenen Armen ins Schlafzimmer. »Du hast einen Strumpf vergessen«, bemerkte Nick hilfsbereit. »Dahinten in der Ecke.« Polly schleuderte ihm einen zornigen Fluch entgegen, ging weiter und schlug die Schlafzimmertür so heftig hinter sich zu, dass sie in den Angeln erzitterte.
»Bitte, komm herein, Richard.« Nick ging zur Salontür, um seinen Freund hereinzulassen. »Bitte entschuldige meine Unhöflichkeit, dich so lange vor der Tür warten zu lassen.«
»Keine Ursache, lieber Freund.« Richard hob eine Augenbraue. »Arger?«
»Es scheint so.« Nick legte die Stirn in Falten. »Wein?«
»Danke. Ich dachte, Polly sollte bei Buckingham sein.«
»Das war sie auch. Aber irgendetwas muss passiert sein, das sie zu einem teuflischen Wutanfall veranlasst hat.« »Solange es Zorn ist und nicht Kummer, mein Freund, wird sie ihn umso leichter überwinden können«, entgegnete Richard und nahm einen Schluck von seinem Wein.
»Ich habe aber das Gefühl, dass es eine Kombination aus beiden ist«, gab Nick mit belegter Stimme zurück. »Aber Polly war zu keiner vernünftigen Unterhaltung in der Lage. Ich musste mir also zunächst einmal ihre Aufmerksamkeit verschaffen.«
Richard lächelte und breitete die Rockschöße seines Gehrocks aus, während er sich setzte. »Ich verstehe. Aber nun hast du sie ...?«
»Wir könnten es zumindest wagen, sie jetzt nach dem Grund zu fragen«, erwiderte Nick und ging zur Schlafzimmertür hinüber. »Polly, komm raus. Ich möchte mit dir sprechen«, rief er knapp. Augenblicklich erschien Polly, manierlich mit ihrem Nachthemd bekleidet, das Haar brav zu einem Zopf geflochten, der über ihre Schulter hing. Sowohl ihre Miene als auch ihre Körperhaltung ließen erkennen, dass der Wutanfall vorüber war. Stattdessen sah sie fast ein wenig bedrückt aus.
»Also, was war der Grund für dieses ungehörige Betragen?«, fragte Nick in unversöhnlichem Tonfall. »Ich möchte nicht in deiner Haut stecken, wenn Killigrew herausfindet, dass diese Kostüme eine solche Behandlung erfahren haben.«
Zwei rote Flecken erschienen auf Pollys Wangenknochen. »Wirst du es ihm erzählen?«
Mit einem Mal sah sie wieder sehr jung und verletzlich aus. »Was ist denn passiert, Liebes?« Nicholas schloss sie in seine Arme, strich über ihren Rücken und hielt sie fest an sich gedrückt.
»Ich bin so wütend auf mich!«, murmelte Polly an seiner Schulter. »Ich habe alles ruiniert, und ich weiß nicht, wie ich dir erklären soll, wie dumm ich gewesen bin.« Polly löste sich von ihm und begann, im Salon auf und ab zu gehen und frustriert die Hände zu kneten, während sie den schweigenden Männern die Vorkommnisse des Abends schilderte.
»Dann bin ich weggelaufen«, endete sie verzweifelt. »Ich konnte dieses Theater einfach nicht länger ertragen. Und Buckingham wusste auch, dass ich Angst hatte. Er hat begriffen, dass ich nie die Absicht hatte, ihm das, was er von mir wollte, freiwillig zu geben. Also ist der Plan zunichte gemacht. Es tut mir Leid.« Niedergeschlagen blickte Polly die beiden Männer an. »Ich hatte mich für eine bessere Schauspielerin gehalten, und nun müssen wir alle den Preis für meinen Dünkel zahlen.«
»Es besteht kein Grund zu Selbstvorwürfen, Polly« De Winter erhob sich und ging zur Anrichte hinüber, um sein Glas noch einmal zu füllen. »Du konntest schließlich auch nicht davon ausgehen, dass du Buckingham selbst in einer solchen Situation noch gewachsen sein würdest.«
»Aber ich war mir meiner zu sicher«, murmelte Polly und warf einen Blick zu Nick hinüber, der noch immer nichts gesagt hatte. »Ich habe meine Einladung an ihn ganz bewusst so unwiderstehlich wie möglich erscheinen lassen.« Sie kaute auf ihrer Lippe herum. »Das war auch der Grund dafür, warum du heute Nachmittag so verärgert warst, nicht wahr?«
»Allerdings«, sagte Nick. »Ich hatte Angst, dass du dir nicht ganz im Klaren darüber warst, was du eigentlich
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