Lockruf Der Leidenschaft
tust.« »Und du hattest Recht«, stimmte Polly zerknirscht zu.
»Jeder, der meinte, dass deine Vorstellung von heute Nachmittag auf ihn gemünzt war, hätte sie als eine höchst eindeutige Einladung betrachten können«, stimmte Richard mit einem Lächeln zu. »Aber du hast doch nur die typischen Fehler der Jugend und der Unerfahrenheit begangen, Kind. Es bringt nichts, jetzt darüber zu klagen.« »Ja«, erklärte Kincaid mit einer Ernsthaftigkeit, die Polly augenblicklich beruhigte. »Weisheit erlangt man erst mit den Jahren, meine Liebe. Und es gibt nur wenige Fehler, die man nicht wieder gutmachen könnte. In der Öffentlichkeit musst du dich jedoch Buckingham gegenüber so geben, als ob sich dieser Zwischenfall nie ereignet hätte. Du kannst dir sicher sein, auch er wird sich dir gegenüber dementsprechend verhalten.« Polly trat ans Fenster. Sie hatte ihnen bisher nichts von der Drohung des Herzogs erzählt und beschloss, es auch jetzt nicht zu tun. Es würde Nicholas nur beunruhigen, und sie hatte ihm schon genug Aufregung bereitet. »Aber das Spiel ist jetzt vorbei, nicht wahr?« Langsam wandte sie sich wieder zum Zimmer um und musterte Nicholas und Richard.
»Ich denke, ja«, antwortete Richard. »Aber als Ergebnis deiner Entdeckungen konnten wir wenigstens die Unterstützung des Herzogs von York gewinnen. Er wird nicht tatenlos zusehen, wie sein Schwiegervater einfach aus dem Amt des Schatzkanzlers verdrängt wird. Außerdem hat er versprochen, den Herzog von Albermarle zu seinem alleinigen Stellvertreter in seiner Abwesenheit in seiner Funktion als Großadmiral bei der Marine zu ernennen. Damit wäre auch dafür gesorgt, dass Buckingham und seine Freunde Zuständigkeiten und Annehmlichkeiten, die dieser Posten mit sich bringt, nicht untereinander aufteilen können.« Richard lächelte und legte Polly eine Hand auf die Schulter. »Du hast das sehr gut gemacht, meine Liebe. Man kann keine Wunder erwarten. Es ist nun einmal raues und unsicheres Terrain, auf dem wir uns bewegen, und deshalb geht es nur langsam voran. Aber wir sind immerhin schon ein gutes Stück weitergekommen. Und abgesehen davon -«, erklärte er, trat an den Tisch, nahm einen Apfel aus der kupfernen Schale und warf ihn gedankenverloren zwischen seinen Händen hin und her, »- denke ich, dass es für die nächste Zeit für keine von beiden Seiten Veranlassung oder Gelegenheit geben wird, noch weiter Ränke gegeneinander zu schmieden. Das ist auch der Grund, weshalb ich heute Abend überhaupt gekommen bin.«
»Ach ja?« Nick warf ihm einen fragenden Blick zu. »Dann hast du Neuigkeiten?«
»Ja.« Richard biss in den Apfel. »Es wird berichtet, dass die königliche Familie noch innerhalb des kommenden Monats nach Hampton Court umsiedeln wird.«
Seine Bemerkung hatte ein langes und nachdenkliches Schweigen zur Folge. Eine Kerze flackerte knisternd in der Brise, die durch das offene Fenster hereinwehte. »Die Pest?«, fragte Nick schließlich.
Richard nickte. »In der Stadt sind bereits ein gutes Dutzend Häuser geschlossen worden. Man hofft, den Ausbruch damit noch verhindern zu können, aber einige raten zu noch größeren Vorsichtsmaßnahmen. Man befürchtet, dass es sich um mehr als nur einige unabhängig voneinander auftretende Einzelfälle handelt, wie wir sie schon im Dezember hatten.«
Auch Polly waren diese Gerüchte in den letzten Wochen zu Ohren gekommen, doch sie hatte sie als Märchen irgendeines Schwarzmalers abgetan. Gewiss war das Verriegeln befallener Haushalte eine drastische Maßnahme der Ratsherren, aber sie hatte sich nicht weiter den Kopf darüber zerbrochen, weil sie viel zu sehr mit den Aufregungen, Anstrengungen und Freuden ihres jetzigen Lebens beschäftigt gewesen war. Nun jedoch ließ der Gedanke, dass der König und der Hof planten, diese Stadt zu verlassen, in der die Krankheit lauerte, das Ganze in einem anderen Lichte erscheinen. Vielleicht bestand ja tatsächlich Anlass zur Angst? Polly sah De Winter an, ehe sie sich zu Nick umwandte. Die Antwort war nur allzu leicht zu erkennen, denn sie beide erwiderten ihren Blick mit ernstem Schweigen.
Polly wandte sich wieder zum Fenster um und blickte auf das vertraute Treiben in der Drury Lane hinab, wo Laternen flackerten, die einem Fußgänger den Weg nach Hause erhellten, wo Kutschen vorüberrollten und hinter Flügelfenstern das Kerzenlicht aufleuchtete und von der Wärme und dem Leben dahinter kündete. Es war eine gewöhnliche Londoner Straße, in der sich
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