Lockruf Der Leidenschaft
die förmlich nach der neckenden Liebkosung seiner geschickten Zunge bettelten.
Polly wand sich flüsternd unter ihm, verlor sich in jenem magischen Königreich, in dem Realität und Traum miteinander verschmolzen, während der liebliche Segen seiner Liebe sie durchflutete, Muskeln und Sehnen salbte, ihr Blut verflüssigte und jeder einzelnen Zelle ihres Körpers tiefsten Frieden und wohlige Mattigkeit bescherte. Grau und rosafarben erfüllte der Sonnenaufgang die östlichen Flügelfenster, als Nick widerwillig aufstand. Die geplante Falkenjagd schien neben den Reizen seiner noch schlaftrunkenen Mistress Wyat ihre Anziehungskraft verloren zu haben. Mit einem angedeuteten Lächeln rief er sich seine Antwort auf Buckinghams Stichelei vom Vorabend ins Gedächtnis. Nicholas hatte gelogen, dass sich die Balken bogen!
Sorgfältig zog er die Bettvorhänge wieder zu, ehe er nach seinem Kammerdiener klingelte, der bereits wartete, seinem Herrn behilflich zu sein. Eine Stunde später gesellte sich Nicholas auf Sulayman und mit einem mit einer Haube und Klauenfesseln versehenen Geierfalken auf dem Handgelenk zu den anderen Jägern, die sich bereits in der Einfahrt tummelten und die Ankunft des Königs erwarteten.
Polly hatte unterdessen im Halbdunkel hinter den zugezogenen Bettvorhängen gelegen und ungeduldig darauf gewartet, dass der Diener endlich aufhörte, herumzuhuschen und Mylords Kleidung für die Rückkehr von der Falkenjagd zurechtzulegen. Schließlich verschwand er und schloss die Tür hinter sich; augenblicklich sprang Polly aus dem Bett und lief in ihr eigenes Zimmer. Susan schlief noch auf dem Rollbett, kämpfte sich bei dem Geräusch der aufgehenden Tür jedoch schläfrig aus den Kissen hoch.
»Himmel, wie spät ist es denn?« Sie zog ihre verrutschte Nachthaube zurecht und blickte die nackte Polly blinzelnd an.
»Oh, es ist schon nach Sonnenaufgang«, erwiderte Polly eilig und öffnete den Wandschrank. »Ich brauche mein Reitkostüm.« Sie zerrte den Rock und das Wams aus gelbbraunem Samt heraus, schleuderte die Sachen aufs Bett und wandte sich dann Wasserkrug und Waschschüssel zu. »Verdammt, ich habe einfach keine Zeit, mir den Schlaf aus den Augen zu waschen!«
»Was hast du denn vor?«, fragte Susan, die nun ebenfalls auf den Beinen war und der offenbar leicht verwirrten Polly Unterhemd, Unterröcke, Strümpfe und Stiefel zusammensuchte.
»Ich gehe reiten!«, erklärte Polly fröhlich. »Und dann wird Mylord schon begreifen, dass ich in der vergangenen Woche mehr gelernt habe, als er mir zutraut... Danke.« Polly nahm Susan das Hemd aus der Hand und zog es sich über den Kopf. »Jetzt gib mir bitte die Strümpfe, ja?«
»So, das muss reichen.« Keine fünf Minuten später schob Polly ihr Haar unter den schwarzen Biberhut, rückte die üppige Feder zurecht, und streifte sich die Lederhandschuhe über. »Ich hoffe, dass ich nicht völlig verschwitzt bei den Ställen ankomme, denn jetzt muss ich rennen.« »Hast du etwa wieder was ausgeheckt?«, fragte Susan unbehaglich.
Polly warf ihr ein kurzes Lächeln zu, als sie zur Tür ging. »So etwas Ähnliches; aber keine Sorge, ich habe alles im Griff.«
Damit fiel die Tür ins Schloss. Verwundert schüttelte Susan den Kopf. Das Leben wurde dieser Tage zumindest nicht langweilig, so viel stand jedenfalls fest.
Polly hastete zum Dorf hinunter. Alles war noch ruhig zu dieser frühen Stunde, und es gab nur wenige, die sie sahen und eine Bemerkung über ihre offensichtliche Eile machten, während sie mit eifrig wippender Hutfeder im Sturmschritt zum Stallhof an der Rückseite des Gasthofes marschierte. Nicks Pferdeknecht hatte seinen Herrn begleitet, wie Polly wusste, somit würde sie also nur noch den Stallburschen des Gasthofes überzeugen müssen, dass Mylord angewiesen hatte, Tiny zu satteln und Mistress Wyat beim Aufsteigen behilflich zu sein. Der noch etwas schlaftrunkene Bursche war recht missmutig, und falls es ihm merkwürdig vorkam, dass jemand, den er bisher stets nur am Ende eines Führungszügels hatte reiten sehen, nun auf einmal die temperamentvolle Stute Seiner Lordschaft besteigen sollte, so war er offenbar der Ansicht, dass dies nicht seine Sache war. Für einen kurzen Moment packte Polly die Angst, als sie auf den Hof ritt. Auf diesem zierlichen, leichtfüßigen Geschöpf zu sitzen war so vollkommen anders, als den stämmigen, phlegmatischen Schecken unter sich zu spüren. Tiny trabte bereitwillig los, reckte schnuppernd die Nüstern in die
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