Lockruf Der Leidenschaft
dann darfst du wie eine Heuschreckenplage über die Tuchhändler herfallen und eine ganze Armee von Näherinnen beschäftigen, denn ohne eine etwas schmeichelhaftere Garderobe, meine Rose, kannst du wohl kaum jener neuen Welt begegnen.« Polly setzte sich auf und schlang die Arme um die Knie. Die Erwähnung der Händler und Näherinnen ließ ein Bild vor ihrem geistigen Auge entstehen, das sie in all seiner Pracht und Herrlichkeit nicht auf Anhieb begreifen konnte. Tuchhändler bedeuteten, dass sie Taft und Samt erstehen würde, Damast und Satin, mit Schmuckbändern eingefasste Unterröcke, Spitzenkragen und Halskrausen, Hüftgürtel, Handschuhe und Strümpfe. »Dann solltet Ihr Euch schnell auf den Weg machen, Sir, damit Ihr umso schneller wieder zurückkehrt.«
Nicholas brach in schallendes Gelächter aus, als er den Ausdruck vergnügter Berechnung in Pollys grünbraunen Augen aufleuchten sah. Der uneheliche Bastard liebäugelte mit dem Himmel auf Erden. »Unterröcke aus feinster Tüllspitze«, lockte er. »Nachthemden aus Samt und Wolle, für jedes neue Kleid auch das passende Unterkleid -« »Geh schon, geh!«, bat Polly. »In deiner Abwesenheit möchte ich schon einmal ein paar Zeichnungen von den Kleidern anfertigen, die ich mir nähen lassen möchte.« Nicholas blickte sie erstaunt an. »Du weißt schon, was du haben willst?«
»Natürlich«, erwiderte Polly schlicht. »Wenn es Papier, eine Feder und ein Tintenfass gibt, zeichne ich es dir auf.« Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Zeichnen ist einfacher als Schreiben, Mylord.« »Und erfordert vielleicht auch weniger Lernaufwand«, entgegnete Nicholas ein wenig zweifelnd, während er sich fragte, woher sie all die Kenntnisse über modische Details und Schnittführung haben wollte, die sie brauchte, um ein ausreichend detailliertes Bild ihrer Wünsche anfertigen zu können, das der Näherin vorgelegt werden sollte. »Ich habe viel gelernt, während ich unter dem Dach deiner Schwägerin gelebt habe«, erklärte Polly, die es nicht allzu viel Mühe gekostet hatte, die Ursache für sein Zögern zu erahnen. »Und wenn ich mich für eine Stunde davonstehlen konnte, um die vornehmen Damen zu beobachten, die zu The Strand hinunterschlenderten, habe ich sogar noch mehr gelernt - und natürlich auch von den etwas weniger vornehmen Damen.« Nicholas sah den spitzbübisch funkelnden Blick unter ihren dichten, geschwungenen Wimpern. »Und da ich selbst eher zu Letzteren zähle, könnte sich dies als durchaus wichtige Beobachtung entpuppen. Im Übrigen jedoch erschien mir auch ihr Erscheinungsbild absolut tadellos, aber mein Geschmack ist in dieser Hinsicht natürlich noch gänzlich unausgebildet.«
»Das bezweifle ich«, murmelte Seine Lordschaft. »Ich glaube, von den Dingen, auf die es ankommt, gibt es nur sehr wenige, über die du noch nicht ausreichend unterrichtet bist.«
»O Mylord, da muss ich doch wirklich protestieren. Ihr erweist mir zu viel der Ehre«, säuselte sie kichernd und klimperte mit den Wimpern. »Ich bin sicher, Ihr übertreibt.«
Nick schob sein Hemd in die Hose. »Wahrscheinlich«, stimmte er ihr zu, was sie erneut provozierte. »Aber du musst lernen, Komplimente ohne Gegenfragen anzunehmen, unabhängig davon, ob sie ernst gemeint sind oder nicht.« Damit knöpfte er sein Wams zu, schlüpfte in den Gehrock und richtete die Spitzenmanschetten an seinem Hemd. »Wie satt ich all das habe! Ich glaube nicht, dass ich diese Sachen noch einmal tragen werde.« Polly beobachtete Nicholas mit zusammengekniffenen Augen. »Ich kann mir nicht vorstellen, welchen Sinn es haben soll, Komplimente zu machen, die nicht ernst gemeint sind.«
»Oh, damit lässt sich gelegentlich eine höchst pointierte Bemerkung anbringen«, erklärte Nicholas. »Man kann ein Kompliment nämlich auch wie eine Beleidigung klingen lassen, mein Liebling. Aber das wirst du ohnehin noch lernen.«
»Das ist eine Kunst, die zu lernen ich nicht das geringste Interesse habe.« Polly ließ sich in die Kissen zurückfallen und zog die Decke bis zur Nasenspitze.
»In diesem Fall«, verkündete er gut gelaunt, »erübrigt sich dann auch ein Einkaufsbummel.«
»Warum musst du nur immer das letzte Wort haben«, jammerte Polly und richtete sich wieder auf.
Nick konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. »Versuch gar nicht erst, mich auszustechen, Liebes. Ich habe darin einige Jahre mehr Erfahrung als du, und mein Verstand ist so scharf geschliffen wie ein Messer.«
»In
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