Lockruf Der Leidenschaft
Bechers hinweg und konnte ihre Gedanken ebenso erraten wie Richards. Mit solch einem Auftreten würde Polly nicht nur ihre eigene Stellung bei Hofe riskieren, sondern konnte auch sämtliche Chancen und Hoffnungen auf die Verwirklichung von Nicholas' und Richards Plänen zerstören. »Polly, als Schauspielerin kann es nicht in deinem Interesse liegen, bekannt werden zu lassen, dass du nur Augen für Lord Kincaid hast. Du wirst noch viele andere Angebote erhalten, die du vielleicht annehmen wirst oder auch nicht; aber wenn du deine ehrgeizigen Pläne weiter vorantreiben willst, willst du gewiss nicht den Eindruck einer Dame erwecken, die ihr Herz bereits vergeben hat. Schließlich sind da auch noch jene, die dir möglicherweise einen Heiratsantrag machen werden«, erklärte Richard, als hätte er Nicholas' Gedanken gelesen, und hob die Augenbrauen. »Du wärst damit auch nicht die erste Schauspielerin, die in den Adelsstand einheiratet.« Polly hatte Mühe, der Bestürzung, die diese Worte in ihr auslösten, Herr zu werden. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie sich jemals einen anderen Beschützer wünschen könnte als den, den sie im Moment hatte. Doch andererseits war es durchaus möglich, dass Lord Kincaid ihrer eines Tages überdrüssig wurde. Warum auch nicht? Schließlich hatte sie das bereits in der ersten Nacht selbst gesagt. Damals, in seinem Schlafgemach, als sie ihm das erste Mal ihren Plan dargelegt hatte.
Doch der Gedanke an eine Heirat lag ihr so fern, dass sie, egal, was De Winter auch sagen mochte, diese Idee nicht erst weiterverfolgte. Denn selbst wenn die Welt niemals erfahren würde, dass sie in Wirklichkeit aus Newgate stammte, ein unehelich geborenes Kind, das in einer zwielichtigen Taverne aufgewachsen war, würde sie selbst es doch stets im Gedächtnis behalten.
Polly hob wieder den Kopf und lächelte. Keiner der Männer hatte auch nur die leiseste Ahnung davon, welche Anstrengung es sie kostete. »Vielleicht, Mylord, wird es ja auch so sein, dass ich in meinem Beruf so viel Erfolg habe, dass ich für mich selbst sorgen kann. In diesem Fall bräuchte ich gar keinen Ehemann und könnte mir jene Liebhaber aussuchen, die mir gefallen.«
»Auf ein so erstrebenswertes Ziel sollten wir anstoßen«, erklärte De Winter leichthin, hob seinen Becher und tauschte einen raschen Blick mit Nick, der lediglich eine Braue hochzog.
Nick prostete ihnen zu, während er innerlich mit seinem im Grunde durch nichts gerechtfertigten Groll rang. Ohne ihm, Nicholas, auch nur ein Wort zu sagen, hatte De Winter sich angemaßt, die erste Saat von Pollys zukünftiger Rolle in ihrem Kopf zu säen. Dies war eine Aufgabe, von der Nick fand, dass sie ihm allein obliegen sollte, doch De Winter benahm sich ganz so, als ob Polly ihr gemeinsames Eigentum wäre.
In gewisser Weise, so musste Nicholas sich mürrisch eingestehen, war sie das ja auch - zumindest so weit, als sie als das Werkzeug fungierte, mit dem die Faktion ihre Verschwörung gegen Buckingham vorantreiben wollte. Und in diesem Sinne war es seine Aufgabe, den Blick stets fest auf das Ziel gerichtet zu halten und sich darauf zu konzentrieren, dass die Saat, die De Winter ausgesät hatte, keimte. Sich von Gefühlen vom richtigen Weg abbringen zu lassen war also alles andere als dienlich, sondern könnte sogar ihrer aller Leben gefährden.
Hewlett-Packard
9.
»Ich bleibe nicht lange fort, Liebling«, sagte Nicholas und hob eine honigfarbene Locke von ihrer Brust. »Aber ich muss nach Hause zurück, um zu sehen, wie sich die Dinge mit Margaret entwickeln, und um mir saubere Kleidung zu holen. Inzwischen ist es drei Tage her, dass mich das letzte Mal jemand lebend gesehen hat, von Richard, dir und den guten Bensons einmal abgesehen.«
Polly hob die Hand und zeichnete mit der Fingerspitze die zart geschwungene Linie von Nicholas' Mund nach. »Du hattest doch den Burschen der Bensons mit einer Nachricht losgeschickt, also wird sich Margaret schon keine Sorgen um dich machen.« Sie lächelte bedauernd. »Aber ich weiß ja, dass das hier auch irgendwann einmal wieder ein Ende finden muss, obwohl ich alles dafür geben würde, dass dem nicht so ist.«
»Ich auch.« Nicholas küsste sie, kostete die Süße, die ihm auf wunderbare Weise so vertraut geworden war. »Aber sieh es bitte nicht als ein Ende an, sondern als einen Neubeginn.« Widerwillig schob er die Bettdecke beiseite und schwang die Beine auf den Boden. »Wenn ich wiederkomme, gehen wir einkaufen. Und
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