Lockruf Der Leidenschaft
»Ich weiß, wie man einen recht guten Punsch zubereitet«, erklärte sie lächelnd und griff nach dem Brandy. Nick musterte sie zweifelnd. »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das eine so gute Idee ist. Das letzte Mal, als ich etwas von deinem Gebräu getrunken habe -«
»Das ist ungerecht!«, warf Polly ein. »Der Glühwein, von dem du offenbar sprichst, wurde schließlich nicht von mir gemischt.«
Nick lächelte sie an. »Ich habe doch nur einen Scherz gemacht, Liebes.«
»Ja, ich weiß.« Ungestüm schob Polly die Punschterrine beiseite, schlang Nicholas die Arme um den Hals und drückte ihren Mund fest auf den seinen. »Und ich würde dir selbst dann noch vergeben, wenn es kein Scherz gewesen wäre.«
»Auf diese Weise kommen wir nie zu unserem Punsch«, bemerkte Richard, der sich unterdessen auf den Boden gekniet hatte, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
»Nein, da hast du Recht.« Nick löste Pollys Arme von seinem Hals. »Darüber hinaus war dies auch keine Geste, wie man sie in der Öffentlichkeit vorführen sollte, fürchte ich. So angenehm sie für den Empfänger auch sein mag.«
»Ich verstehe nicht, was du meinst.« Polly wirkte verletzt. »Ich wollte dich doch nur küssen.«
De Winter konnte sein leises Lachen gerade noch in ein Räuspern verwandeln und streute ein wenig geriebene Muskatnuss in den Punsch.
»Willst du es ihr erklären, Richard, oder soll ich es übernehmen?«, fragte Nick.
»Ich habe alle Hände voll zu tun mit der Zubereitung des Punschs«, entgegnete sein Freund.
»Also setz dich, Polly ... Nein, nicht auf mein Knie!« Nick drückte Polly entschieden auf den Hocker zurück, auf dem sie gesessen hatte. »Hör mir bitte ganz aufmerksam zu. Dies ist jetzt eine Lektion, die ich bisher noch niemandem vermitteln musste.«
Polly blieb mit trotziger Miene auf ihrem Hocker sitzen und faltete die Hände im Schoß. »Dann glaube ich nicht, dass das eine Lektion ist, die ich gerne lernen möchte«, murmelte sie argwöhnisch.
»Wahrscheinlich nicht«, entgegnete Nick mit seiner gewohnten Gelassenheit. »Aber sie ist trotzdem äußerst wichtig und unerlässlich.« Er erhob sich, griff nach seiner Tonpfeife und dem Tabakbeutel, die auf dem Kaminsims lagen, und begann seine Pfeife zu stopfen. »Ich habe dir doch gesagt, dass du, sobald du in der Öffentlichkeit auch nur die geringste Unhöflichkeit äußerst, nicht mehr salonfähig bist. Dasselbe gilt für die öffentliche Zurschaustellung von Empfindungen, egal welcher Art. Eine kühle Freundschaftlichkeit ist akzeptabel, mehr aber nicht.« Er bückte sich, um eine schlanke Kerze an das Kaminfeuer zu halten, ehe er seine Pfeife damit anzündete. »Vermutlich werde ich also nicht liebevoll mit dir sprechen, dich gar berühren oder -«
»Nein, das darfst du nicht!«, versicherte Nick ihr mit harschem Nachdruck. »In der Öffentlichkeit wirst du mich mit unbeteiligtem Gleichmut behandeln, so wie auch ich -«
»Nein!« Polly sprang entsetzt auf. »Das kann ich nicht, und wenn du mich mit... unbeteiligtem Gleichmut behandeln willst, gehe ich eben wieder nach Hause.«
»Und dann wird man dich nie wieder einladen, bei Hofe zu erscheinen«, kam Richard seinem Freund zu Hilfe. »Denn obgleich es allgemein bekannt werden wird, dass du unter Nicks Gönnerschaft lebst, würde man es doch auch als äußerst abstoßend empfinden, wenn du deine Gefühle öffentlich zur Schau stellst.« »Warum?«
Nick zuckte mit den Schultern. »So etwas tut man eben nicht, Liebes. Das ist die einzige Antwort, die ich dir darauf geben kann. Wenn du also in diese Welt aufgenommen werden willst, musst du dich auch nach ihren Regeln richten.«
De Winter kostete mit einem kritischen Stirnrunzeln das Gebräu in der Punschschüssel. »Und solltest du die Regeln brechen, machst du sowohl Nick als auch dich selbst zum Gespött des ganzen Hofes, was wohl kaum ein überzeugendes Zeichen der Zuneigung wäre.« Er gab den Punsch in drei Zinnbecher. »Ganz im Gegenteil, möchte ich meinen.«
Polly atmete das köstliche Aroma ein, das aus dem Becher aufstieg. Sie stammte aus einer Welt, in der jede Facette des Gefühlslebens öffentlich und vor aller Augen ausgelebt wurde. Küsse, Handgreiflichkeiten, Kosenamen und Flüche wurden verteilt, wann und wo auch immer es angebracht schien und das Bedürfnis danach bestand. In den stinkenden, überfüllten Gassen und Hütten der Londoner Elendsviertel gab es keine Privatsphäre. Nick beobachtete sie über den Rand seines
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