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Lockruf Der Leidenschaft

Lockruf Der Leidenschaft

Titel: Lockruf Der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
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war. Wo der Schnee geschmolzen war, floss er durch die Rinnsteine und führte allerlei Unrat mit sich, der sich über die Pflastersteine verteilte, sodass diese mit einem dicken, übel riechenden Schleim überzogen waren. Der Schnee hingegen, den die Sonnenstrahlen nicht erreichten, blieb in schwarzen und unappetitlichen Wehen liegen und versperrte die Wege. Es waren nur wenige Menschen zu Fuß unterwegs, und die wenigen waren zumeist mit dem Schlamm und dem Kot bespritzt, die unter den Hufen der Pferde und den Rädern der Wagen aufspritzten. Doch Polly marschierte unbeirrt weiter, wild entschlossen, an ihr Ziel, das Theatre Royal, zu gelangen.
    Es war nur ein kurzer Weg die Drury Lane entlang. Doch in dem Augenblick, als Polly das Königliche Schauspielhaus erreichte, rauschte eine wappengeschmückte Equipage an ihr vorbei, um unmittelbar vor den Stufen des Theaters zum Stehen zu kommen. Ein dicker Schlammklumpen, der von den Rädern aufgewirbelt worden war, landete geradewegs auf Pollys Arm und bespritzte sie von oben bis unten. Wütend fuhr sie den Kutscher an, der von seinem Kutschbock herunterklettern wollte. Da Polly eine wenig damenhafte Ausdrucksweise gewählt hatte, war es keine allzu große Überraschung, dass der Kutscher unverblümt auf den Streit einging. »Gütiger Gott, was ist denn hier los!« Eine wohlklingende Männerstimme ertönte, ehe der dazugehörige Kopf im Kutschenfenster erschien.
    »Ihr habt einen äußerst ruppigen Kutscher, Sir«, entgegnete Polly und verfiel augenblicklich wieder in eine Sprache, die einer Unterredung mit diesem Gentleman angemessener war. »Er lenkt seine Kutsche auf eine Art und Weise, dass er eine Gefahr für sämtliche übrigen Straßenbenutzer darstellt, und dann besitzt er auch noch die Unverschämtheit, seinem Opfer die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben!«
    George Villiers, Herzog von Buckingham, hatte es für einen Augenblick die Sprache verschlagen, während er den Anblick dieser hinreißenden Schönheit vor ihm in sich aufnahm. Noch nie zuvor war er eines solchen Diamanten ansichtig geworden. Entrüstung funkelte in diesem Paar der schönsten, betörendsten Augen - Augen, die an eisige Seen erinnerten -, überzog das makellose Antlitz mit einer zarten Röte, strömte aus jeder Pore dieser unvergleichlichen Gestalt. Zugleich bemerkte er, dass die junge Frau gut, wenngleich etwas bescheiden gekleidet war und wie eine Dame sprach. Wenn tatsächlich sie diejenige gewesen sein sollte, die den Kutscher ausgescholten hatte, zeigte sie ein ausgesprochenes Geschick darin, die Sprechweisen zu wechseln.
    »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Madame«, antwortete er schließlich, öffnete schwungvoll die Kutschentür und sprang leichtfüßig heraus. Er verbeugte sich. »Bitte gestattet mir, es wieder gutzumachen. Wenn Ihr mir bitte den Weg zu Eurer Unterkunft weisen möchtet, werde ich Euch persönlich dorthin begleiten.« Polly knickste automatisch, während sie den Gentleman verstohlen musterte. Er war ein äußerst prachtvoll anzusehender Mann mit drei geschwungenen, rot gefärbten Straußenfedern am Hut, der perfekt zu seinem burgunderfarbenen Samtrock und den Kniebundhosen passte, mit der voluminösen Perücke und den funkelnden Diamanten an den Fingern und auf den Schnallen seiner Schuhe. Als sie sich wieder aufrichtete, ließ Polly ihren Blick flüchtig zu seinem Gesicht hinaufwandern und erlitt einen gelinden Schock. Denn es war kein gefälliges Gesicht, obwohl der Ausdruck darin von einstudierter Liebenswürdigkeit war - hart blickende Augen unter schweren, leicht nach unten hängenden Lidern, ein schmallippiger Mund mit einem grausamen Zug und eine lange, spitze Nase, die Polly an den Schnabel eines Falken erinnerte. In diesem Gesicht spiegelten sich Zynismus und die Spuren eines ausschweifenden, zügellosen Lebens wider, und die Musterung, der sie gerade unterzogen wurde, war eindeutig berechnend. Polly ertappte sich bei dem Wunsch, möglichst weit weg von diesem Mann zu sein. »Dazu besteht kein Anlass, Sir«, entgegnete sie. »Ich wohne nur ein kleines Stück von hier entfernt und würde es darum vorziehen, zu Fuß zu gehen.«
    »Oh, aber Ihr könnt doch jetzt nicht einfach wieder gehen«, widersprach er. »Gestattet, dass ich mich Euch vorstelle. George Villiers, zu Euren Diensten, Madame.«
    Dieser Name sagte Polly, die noch niemals zuvor gehört hatte, wie jemand den Herzog von Buckingham mit seinem Familiennamen bezeichnet hatte, absolut nichts.

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