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Lockruf Der Nacht

Lockruf Der Nacht

Titel: Lockruf Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihre Stuckgesichter auf uns hinab.
    »Es gefällt mir«, sagt der Kunde kühl und betritt vor mir die Treppe, die in den zweiten Stock führt.
    Ich bleibe am Treppenabsatz stehen und betrachte das Buntglasfenster in etwa vier Meter Höhe über mir. Auch das sehe ich jetzt zum ersten Mal. Das Motiv stellt eine in weiß gekleidete Frau mit langen schwarzen Haaren dar.
    Wir gehen durch die drei Schlafräume im zweiten Stock, die Bibliothek und steigen schließlich hoch ins Turmzimmer, zum Masterbedroom mit dem fantastischen Blick. Wenn die Wolken tief hängen, muss es hier oben wie im Märchenland sein.
»Sehr schön.« Er scheint doch sehr angetan zu sein.
    Beim Hinuntergehen drehe ich mich noch einmal zu dem Bleiglasfenster um.
    »Erinnert mich an das Tor der Träume. Es steht dafür, dass der Schlafende an diesem Ort die Wahrheit im Traum findet.«
    Ich sehe den Mann an, als hätte ich einen Neandertaler vor mir stehen.
    »Wenn man sich das Apartment ansieht besteht kein Zweifel daran, dass der Besitzer ein Faible für die griechische Mythologie gehabt hat.« Er lächelt mich das erste Mal an und sagt: »Ich muss mal kurz einen Anruf machen.« Bevor er auf die Terrasse hinaus tritt, legt er seinen Planer und die New York Times auf dem Tisch ab.
    Was für eigenartige Wege das Leben manchmal nimmt. Die Themen, die einen selbst beschäftigen, kriechen plötzlich aus allen Ecken auf einen zu. Alles ist auf Träume eingestellt.
    Ich werfe einen Blick auf die heutige Schlagzeile. »Mann stürzt vom New York Times Tower.« Wieder so ein Verrückter, der wahrscheinlich die Fassade hochklettern wollte. Weiter komme ich mit dem Lesen nicht, denn Mr. Steiner steht plötzlich wieder vor mir. Ich bin einen Augenblick verwirrt und sehe erst jetzt, dass er mit seiner Visitenkarte wedelt. Darauf steht nur L. Steiner und eine Handynummer.
    Aus meiner Handtasche krame ich schließlich ein etwas zerdrücktes und schmutziges Exemplar meiner Karten. »Ich … ich habe meine Karten im Auto liegen lassen«, sage ich beschämt. »Ist heute nicht mein Tag.« Ich wollte mir schon vor einer Woche neue machen lassen und ärgere mich jetzt über meine eigene Schlampigkeit.
    »Sind wohl noch nicht lange dabei?« Er sieht mich abschätzig an.
    »Wie man´s nimmt. Wenn für Sie sechs Jahre nicht viel sind, dann ist es noch nicht lange. Das stimmt.« Die Arroganz des Typen geht mir wirklich langsam auf die Nerven.
    »Ich melde mich bei Ihnen«, sagt er und geht zum Fahrstuhl.
    Ich lasse ihn allein den Weg nach unten finden und gehe auf die Terrasse, um frische Luft zu schnappen. Irgendwie ist mir heiß, obwohl mir auch kalt ist.
    Die Gelegenheit nutzend alleine zu sein, gehe ich zurück in das Turmzimmer. Hier oben hat man das Gefühl, sich auf dem Olymp zu befinden und erhaben über die arme Kreatur Mensch zu sein. Auch ist hier oben eine eigenartige Energie. Ich hole meine Kamera aus der Tasche und schieße ein paar Bilder des Raumes und der Umgebung.
    Der Minutenzeiger hat sich gerade mal fünf Minuten weiter bewegt. Ich fühle mich plötzlich müde und schlapp. Fünfzehn Minuten die Füße hochlegen kann sicherlich nicht schaden. Ich streife die Schuhe ab und lege mich schräg aufs Bett. Es ist herrlich weich und gemütlich. Über mir ist ein Teil des Universums mit seinen Sternkonstellationen eingezeichnet. Die einzig mir geläufigen Sternbilder sind der kleine und große Wagen und der Bär. Oder war es umgekehrt? Ich suche die Punkte und verbinde sie: eins, zwei, drei, vier …
     
    Yven steht plötzlich im Türrahmen.
    Stotternd entschuldige ich mich und stehe hastig auf.
    »Ich denke, ich spreche mal mit deinem Chef.«
    Mist, das fehlte mir gerade noch. »Das ist nicht nötig. Ich kann das erklären …«
    Aber Yven hat sich bereits umgedreht und ich höre ihn die Treppen runtergehen.
     
    »Hallo?!«
    Durch einen Nebel aus Grautönen höre ich jemanden rufen. Schritte.
    »Hallo?!«
    Ich schrecke hoch. Verdammt, ich bin tatsächlich weggenickt. »Ich bin hier oben«, antworte ich mit fester Stimme und schlüpfe schnell in meine Schuhe, rücke den Rock zurecht, und gehe mit den Händen durch meine Haare. Ich kann gerade noch die Bettdecke glatt streichen, da steht Yven plötzlich im Türrahmen und sieht mich an.
    »Was für eine Überraschung«, sage ich und gehe ihm entgegen. »Ich warte auf einen Kunden und genieße derweil die Aussicht und die himmlische Ruhe hier oben.«
    »Es war das Zimmer meiner Mutter. Hier oben hat sie mehr Zeit

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