Lockruf Der Nacht
paar Mal, um auch sicherzugehen, dass alles sitzt und lässt mich wieder allein.
Auf einem kleinen Tisch entdecke ich eine Flasche Whiskey und zwei Gläser. Ich schenke mir ein halbes Glas voll und trinke es wie Medizin in einem Schluck aus. Das Zeug schmeckt so ekelhaft, dass es mich schüttelt. Dann hole ich alle Kleider aus dem Schrank und breite sie auf dem Bett aus. Das blasse Kleidchen sieht zu brav aus und gibt nichts von dem wieder, was sich gerade in meinem Inneren abspielt. Wut, Feuer, Krieg. Ich wähle das rote kurze mit Pailletten und Perlen bestickte Kleid, schwarze Schuhe und eine ebenfalls schwarze Federboa dazu, schminke meine Augen dunkel und nehme noch ein paar kräftige Schlucke aus der Flasche, bevor ich mich mit wackeligen Knien auf den Weg nach unten mache. Auf dem Weg begegne ich ein paar Gästen, sie sind alle reserviert und können mir kaum in die Augen schauen. Wahrscheinlich sind sie alle so reich, dass sie mit jemandem wie mir nichts am Hut haben wollen.
Der Rhythmus des Swings heitert mich auf und der langsam wirkende Alkohol tut sein übriges. Ich suche Yven und ziehe ihn auf die Tanzfläche. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass die Tanzstunden, die ich als junges Mädchen nehmen musste, zum Tragen kommen. Mein Körper bewegt sich zur Musik, als hätte ich in den letzten Jahren nichts anderes gemacht, als zu tanzen und die Worte meines damaligen Lehrers ` Das Mädchen hat ausgesprochenes Talent ` bekommen plötzlich Relevanz. Ich danke meiner Mom im Stillen, dass sie mich zu diesem verfluchten Unterricht getreten hat.
Zu meiner großen Überraschung ist Yven ein ausgezeichneter Tänzer. Es dauert nicht lange, da treten alle anderen zur Seite und überlassen uns die Tanzfläche. Er führt mich so sicher und schwungvoll über das Parkett als wären wir seit Jahren ein eingespieltes Paar. Es ist ein Moment, in dem ich alles um mich herum vergesse und es nur Yven und mich gibt. Plötzlich lässt er mich in einer Drehung los und bevor ich zu Boden gehe, werde ich von jemand anderem aufgefangen. Es ist Payton, der weiter mit mir tanzt. Er hält mich fest und ich spüre unter meiner Hand, die auf seiner Schulter liegt, die Stärke seines muskulösen Körpers. Kein Wunder, dass Lilith so geschwärmt hat.
Payton ist fast noch besser als Yven. Ich fühle mich wie in einem Film, tanze mal mit dem einen, mal mit dem anderen und dann zwischen ihnen, bis sie abwechselnd ein Solo tanzen. Die Darbietung der beiden ist spektakulär, und als die Show vorbei ist, klatschen alle euphorisch und die beiden jungen Männer bitten zwei andere Frauen zum Tanz.
Da mein Tanzpartner beschäftigt ist, ziehe ich mich an die Bar zurück und bestelle einen Champagner, dabei muss ich an Mo vorbei. Unsere Blicke treffen sich. Er ist wie in meinen Träumen, genauso sexy, genauso unwiderstehlich und verführerisch. Seinen Mund umspielt ein Lächeln. Ob er meine Gedanken gehört hat? Ich merke, wie ich wieder rot werde. Das ist wirklich lästig, wenn einem jedes Gefühl, jede Peinlichkeit gleich an der Hautfarbe abzulesen ist.
Seine Frau steht nicht neben ihm und ich überlege, ob ich die Gelegenheit nutzen und mich unverbindlich bei ihm für seine hilfreiche Aktion in den Hamptons bedanken soll. Das wäre auf jeden Fall ein Grund, endlich mit ihm ins Gespräch zu kommen.
Ich nehme mein Glas und will gerade zu ihm gehen, als Lilith mir plötzlich in die Quere kommt. »Himmel, Leia! Ich wusste gar nicht, dass du so tanzen kannst.« Sie sieht schon ziemlich betrunken aus. »Ist er nicht sexy? Ich würde für diesen Mann sterben«, lallt sie.
Das habe ich auch mal gedacht und sehe mich nach Mo um. Er steht nicht mehr dort, wo ich ihn das letzte Mal gesehen habe, auch sonst kann ich ihn nirgendwo entdecken. Mist, er ist weg.
Der schnelle Rhythmus wird durch einen gemächlicheren abgelöst. Payton fordert Lilith zum Tanz auf und Yven nimmt mich an die Hand und zieht mich ebenfalls auf die Tanzfläche zurück. »Du bist die perfekte Tanzpartnerin. Das habe ich noch nicht erlebt«, sagt er leicht aus der Puste.
»Das Kompliment kann ich nur zurückgeben.«
»Woher kannst du so gut tanzen?«
»Meine Mom hat mich dazu gezwungen«, erkläre ich scherzend im düsteren Ton.
Yven lacht. »Meine uns auch.«
Ich stimme in sein Lachen mit ein.
»Habe ich dir schon gesagt, dass du bezaubernd aussiehst?«
»Danke!«, sage ich verlegen.
Der Sänger singt ... by the touch of your hand ...let me know you understand...every
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